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Kunst & Kultur

UNIKATUM Kindermuseum

Leipzig
Monster aus Pappmaschée
Museumsleiterin Annegret Hänsel

Eine quirlige Oase trotzt dem städtischen Trubel: Während draußen auf der Zschocherschen Straße der Verkehr rauscht, erschließt sich hinter den Türen des UNIKATUM Kindermuseums in Leipzigs Westen eine andere Welt.

Von der Decke baumeln fliegende Saiteninstrumente und ein riesiger Haifisch aus Pappmachée schaut friedlich auf eine lange, bunt geschmückte Tafel herab, an der gerade ein Kindergeburtstag gefeiert wird. Die aufgeregt durcheinanderplappernden Kinder sind jedoch kaum auf ihren Plätzen zu halten. Zu aufregend ist alles, was sich in diesen Räumen noch verbirgt. Konzipiert werden die Ausstellungen von Annegret Hänsel und ihrem Team von der Ausstellungsagentur UNIKATUM. Die studierte Physikerin und hauptberufliche Ausstellungsgestalterin gründete das besondere Museum im Jahr 2010. Seither präsentiert das ehrenamtlich getragene Kinderparadies wechselnde Mitmachausstellungen für Kinder und Erwachsene. Im Interview verrät die Initiatorin, wie die Idee dazu entstand und woher die Motivation stammt, ehrenamtlich ein Museum zu betreiben.

Frau Hänsel, wie entstand die Idee, ein Museum für Kinder zu gründen?

Gegründet habe ich es, weil ich hauptberuflich mit Kopf und Herz Ausstellungsgestalterin bin. Man kennt die Arbeit meiner Agentur vielleicht aus dem Zoo Leipzig, wo wir ganz viele Besucherstationen gestaltet oder auch den Bärenburgspielplatz entworfen haben. Das Kindermuseum ist nun mein „Baby“, dort können wir eigene Themen inszenieren, die wir wichtig finden, für Kinder und Erwachsene.

Wie sind Sie selbst zur Ausstellungsgestaltung gekommen?

Während des Physikstudiums habe ich schon als freiberufliche Grafikerin gearbeitet und damit meinen Unterhalt finanziert. Als ich mein Diplom in der Tasche hatte, entschied ich mich dafür, selbstständig zu bleiben und ein Tätigkeitsfeld zu suchen, in dem man weiterhin „erfinden“ und vor allem gestalten und Themen setzen kann. Ich habe dann die Ausstellungsgestaltung gefunden oder auch sie mich. Hier gibt es eine sehr große Bandbreite: Bauliche Planung, Innenarchitektur, Freianlagengestaltung, inhaltliche Redaktion – wir drehen Filme, wir machen Hörspiele, wir gestalten Illustrationen, Layouts, Programmierungen – es ist ein unglaublich breites Feld, das sich hier bespielen lässt.

Wie ist das UNIKATUM Kindermuseum konzeptionell und inhaltlich aufgebaut?

In Deutschland gibt es rund 60 Kindermuseen. Außerdem gibt es Science Center mit interaktiven Ausstellungen. Diese sind aber meistens den Naturwissenschaften gewidmet. Ich persönlich möchte jedoch gesellschaftliche Themen für eine breite Zielgruppe darstellen. Themen, die das Phänomen das Miteinander greifbar machen. Etwa Gefühle, Geld oder die Stadt. Wir versuchen dazu eine Inszenierung zu finden und das Thema begreifbar zu machen. Eine solche Einrichtung praktisch ohne Kapital aufzubauen, ist aber in jedem Fall eine Herausforderung.

Kinder wählen ihre Lieblingsnascherei
„Wir wünschen uns, dass die Besucher ihre eigenen Gedanken einbringen.”
Annegret Hänsel
Aufmerksam lauschen die Kinder der Mitarbeiterin.

Wie entscheiden Sie sich für ein neues Thema? Spielen da auch die Interessen der Kinder mit rein?

Wir haben eine Tafel in der Ausstellung, auf welche die Kinder aufschreiben dürfen, welche Themen sie sich wünschen. Die Vorschläge der Kinder dienen dann als Richtlinien für unsere Entscheidung, um zu wissen, in welche Richtung die Interessen gehen. Die Ausstellungsthemen sind aber auch Lieblingsthemen von uns selbst, von denen wir uns wünschen, dass Kinder und Erwachsene dafür spielerisch sensibilisiert werden.

Sie beschreiben Ihre Ausstellungen als „Mitmachausstellungen“ – heißt das, die Kinder sind aktiv involviert bei der Ausgestaltung des jeweiligen Themas?

Mitmachausstellung bedeutet, dass die Besucher selbst einen Anteil haben. Es gibt also Werke von Schülern im Museum – Trickfilme oder Hörspiele – die in unserer Sommerwerkstatt produziert wurden. Diese Schülerarbeiten fließen grundsätzlich ein, konzipiert wird die Ausstellung im Ganzen aber von uns. Streng genommen heißt „Mitmachausstellung“ für alle Besucher, dass sie an den vielen verschiedenen Stationen selbst etwas tun können, aber auch, dass sie zu vielen Themen ihre eigene Meinung hinterlassen können und letztendlich solche Stationen mit den Wortmeldungen der Besucher wachsen. Man muss sich das in etwa wie ein begehbares, inszeniertes Forum vorstellen. Wir wünschen uns, dass die Besucher immer mehr Gelegenheit finden, ihre eigenen Gedanken dazu einzubringen.

Das UNIKATUM Kindermuseum funktioniert ehrenamtlich. Wie muss man sich das vorstellen?

Es gibt ein Kernteam, im Wesentlichen die Mitarbeiter meiner Agentur, die ehrenamtlich nebenbei mitwirken, um die Ausstellungstechnik am Laufen zu halten. Dann gibt es ehrenamtliche Helfer, die die Öffnungszeiten unter der Woche abdecken und einige Honorarkräfte für den Wochenendbetrieb, vor allem für die Museumspädagogik, aber auch für das Familiencafé. Daneben haben wir auch einen Freundes- und Förderkreis. Aber es ist tatsächlich nicht sehr einfach, Unterstützer zu gewinnen. Vor allem solche, die dauerhaft bleiben. Deshalb müssen wir regelmäßig neue Leute finden, sonst würde das Museum nicht funktionieren.

Welche Pläne hegt das UNIKATUM Kindermuseum für die Zukunft?

Lange Zeit waren wir nur auf einer Etage hier im Haus eingemietet, das war allerdings viel zu klein. Mit dem Auszug des Mieters im Erdgeschoss konnten wir nun unser Erweiterungsprojekt in Angriff nehmen. Die neuen Räume zu bespielen und zu finanzieren – wir bezahlen nun das Vierfache an Miete – ist nun erst mal eine Aufgabe, die es zu bewältigen gilt.

Verschiedenste Infos finden sich an den Gestaltungsplätzen

Was wurde in den neuen Räumen gemacht?

Es wird auf jeden Fall noch einen Bereich geben für Kinder unter dem Lesealter, inklusive einem etwas größeren Krabbelbereich als bisher, da zu uns Familien mit Kindern jeden Alters kommen. Wir haben auch den Hofgarten gestaltet. Dort gibt es eine Art Schatzsuche. Das historische Café Götz, manchem Leipziger noch gut bekannt, wurde als Museumscafé Götz wiedereröffnet und eine Ausstellung für Jugendliche und Erwachsene darin gestaltet. Ähnlich dem Escape-Room-Prinzip gibt es darin Rätselboxen zu knacken. Da wir seit 2015 alle neuen Ausstellungen zweisprachig, in Deutsch und Englisch, anbieten, hoffen wir, die Zielgruppe etwas erweitern zu können und auch unter der Woche mehr Leute, z. B. Touristen, anziehen zu können. Denn dies ist heute noch unser größtes Problem: Wir müssen die Räume immer finanzieren, auch unter der Woche. Wenn unter der Woche weniger Besucher kommen, weil die Schulkinder ja in der Schule sind, und am Wochenende dann Hochdruck herrscht, sind die Räume letztlich nicht kontinuierlich genug genutzt. Deshalb bieten wir unseren Besuchern werktags Vergünstigungen und schaffen nach und nach auch zusätzliche Betreuungsangebote, z. B. den Trickfilmworkshop.

www.kindermuseum-unikatum.de

Fotos: Kiss & Tell

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