Nun könnte man sagen: Wer schon 25.000 Exponate im Bestand hat und aus Platzgründen gerade mal 15 Prozent davon zeigen kann, braucht keine neuen Stücke. Die Sache ist nur: Die Volkskunst Sachsens ist so lebendig und vielfältig wie die Menschen, die in der Region lebten und leben und bis heute stetig Neues schaffen. „Abgeschlossen wird unsere Sammlung deshalb wohl nie sein“, konstatiert Jenzen – zumal Volkskunst ein wirklich breites Feld ist. Den Begriff erfand Oskar Seyffert, Professor an der Kunstgewerbeschule Dresden, der Ende des 19. Jahrhunderts die klassische Kunst in einer Sackgasse sah. Er wollte sich an den „naiven, aber beseelten Ausdrucksformen des kleinen Mannes“ orientieren. An den Figuren, die Bergmänner schnitzten, den Trachten, die sorbische Frauen bestickten, an den kleinen Kostbarkeiten aus Holz oder Blech, die Amateure am Feierabend schufen. Seyffert begann zu sammeln und eröffnete 1913 das Museum im ehemaligen kurfürstlichen Jägerhof, zuletzt eine Kaserne.
Seither lassen sich dort kreative und kuriose Werke bestaunen, die teils ziemlich geschickte, teils etwas naive Künstler schufen. L’art pour l’art war Volkskunst jedoch nur selten, häufiger ein Mittel, um ein wenig Geld dazuzuverdienen. Etwa für die Menschen aus dem Erzgebirge; Jenzen zeigt hier am liebsten die alten Arche-Noah-Sets, „eine Art frühes Playmobil, das bis in die USA verkauft wurde“. Ein paar Vitrinen weiter grüßt ein Engel mit weißen Punkten auf grünen Flügeln. „Eine Schülerin Seyfferts drechselte den 1914 für ihren Bruder an der Front“, erklärt Jenzen. Grete Wendt hieß die Dame, ein Jahr später gründete sie die Manufaktur Wendt & Kühn. Mittlerweile ist die Firma über 100 Jahre alt und die Nachfolger der nur scheinbar naiven Schnitzerei sind als Grünhainichener Engel weltberühmt.
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Dieser Text erschien in „Es weihnachtet“, dem Winter- und Weihnachtsmagazin des Freistaates Sachsen. Das ganze Heft findet ihr hier.
Fotos: Sebastian Arlt