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Über die Kunst, Kinderaugen zum Leuchten zu bringen: Bo Starker

Wer Bo Starker trifft, tritt ein in eine Märchenwelt. Ihr Atelier auf einem alten Bauernhof in Bayern - mit Staffeleien, unzähligen Pinseln und Stiften, fotorealistischen Ölgemälden und geheimnisvollen Puppenhäusern - versprüht seinen ganz eigenen Zauber. Die kreative Energie der sympathischen Powerfrau, die ursprünglich aus Dresden stammt und heute in der Nähe von Bad Tölz wohnt, ist allerorten spürbar. Ihr neuestes Projekt: ein Kinderbuch. „Mumpelmoff und das Wunder am Schloss" ist ein Märchen über einen kleinen Helden auf der Suche nach Freundschaft – und zugleich eine Liebeserklärung an ihren eigenen Sohn, der mit einer Halbseitenlähmung und Autismus lebt.

Wie es zu ihrem Debüt als Kinderbuchautorin kam, was auch Erwachsene noch von ihrem wundersamen „Mumpelmoff“ lernen können, und wie ihre sächsische Heimat sie bis heute prägt, das erzählt uns Bo Starker.

Frau Starker, Sie haben Ihre Wurzeln in Dresden und leben heute am Rande der Alpen. Dazwischen liegt eine bewegte Lebensgeschichte. Welche Stationen haben Sie besonders geprägt?

Vor allem meine liebevolle Kindheit in Feldschlößchen bei Radeberg, aus der ich heute noch meine Inspiration, meine Ideen und Geschichten schöpfe. Ich bin dort als Einzelkind in einem Haus am Waldesrand großgeworden, mit Eltern, die immer wieder mit neuen, verschrobenen Hobbys ankamen. Edelsteine in alten Steinbrüchen sammeln, Blumenständer drechseln und bemalen oder das Sammeln und Verkaufen von Antiquitäten. Die verstaubten Schätze, alte Gemälde und die Geschichten dazu - all das prägt mich bis heute zutiefst. Später dann war es die Begegnung mit Dr. Erber, dem feinsinnigen Leiter des Radeberger Zeichenzirkels, und während meines Studiums an der TU Dresden die mit Kunstprofessor Dr. Roland Unger. Von beiden habe ich nicht nur die Technik, sondern auch das „Sehen" gelernt und wäre ohne sie nicht die Künstlerin, die ich heute bin.

Was hat Sie dann dazu bewegt, Ihre Heimat zu verlassen? 

Eine Mischung aus Liebe und Verlust. Mit dem frühen Tod meines Vaters brach ein großer Teil meiner heilen Welt weg, und gleichzeitig trat eine Liebe in mein Leben, die mich nach Bayern führte. Es war kein geradliniger Weg, eher eine Suche nach einem neuen Zuhause, nachdem mein altes ins Wanken geraten war.

Und haben Sie vielleicht sogar ein Stück Sachsen mit nach Bayern genommen? 

Nach anfänglichem großem Heimweh entdeckte ich ein verwunschenes Bauernhaus am Alpenrand. Als ich erfuhr, dass sein Hof mit den Pflastersteinen gepflastert ist, die einst im Innenhof des Dresdener Zwingers lagen, wusste ich sofort: Das muss mein Haus sein. Seitdem fühle ich mich wie August der Starke wenn ich in meine Einfahrt fahre - ein mächtiges Stück Sachsen hab‘ ich hier also. Und es gibt noch ein paar andere Erinnerungsstücke, insbesondere zur Weihnachtszeit: ein echter Herrnhuter Stern auf meinem Balkon, und in den Weihnachtskisten schlummern Räuchermännchen, Engel und Bergmann und Schwibbögen aus dem Erzgebirge.

„Seitdem fühle ich mich wie August der Starke!”
Bo Starker
Künstlerin und Autorin

Sind Sie heute noch oft in Sachsen, und was zieht Sie besonders dorthin zurück?

Ja, in der Tat. Meistens wenn die Kinder Ferien haben. Es gibt zwei Orte, zu denen es mich immer wieder hinzieht: der Friedhof in Radeberg mit dem Grab meines Vaters und der Flohmarkt in Dresden – der Ort meiner unbeschwerten Kindheit.

Haben Ihrer Meinung nach Bayern und Sachsen auch etwas gemeinsam?

Ganz, ganz viel! Die Bayern und die Sachsen sind sich ähnlicher als man glaubt. Beide pflegen eine große Liebe zu Traditionen, zu gutem Essen, zur Kunst und einer gewissen königlichen Pracht. Man denke nur an August den Starken in Sachsen und König Ludwig in Bayern - zwei Herrscher, die für ihren Hang zum Überschwang bekannt waren. Und was ich besonders mag: In beiden Regionen leben Menschen, die ein Herz für das Handwerk haben - für Dinge, die mit Zeit und Hingabe entstehen. Und sie sind bodenständig und warmherzig.

Sie sind eine erfolgreiche Porträtmalerin und haben viele prominente Persönlichkeiten gezeichnet. Welche sächsische Persönlichkeit würden Sie gern einmal zeichnen und warum?

Olaf Schubert, weil ich ihn seit seinen allerersten Auftritten im Weinböhlaer Gasthof kenne. Ich liebe einfach alles an ihm. Ihn zu zeichnen und zu zeigen, was außer seinem göttlichen Humor noch in ihm schlummert… Es wäre mir eine Freude. Und wenn ich in die Vergangenheit greifen dürfte, dann wäre es wahrscheinlich Gräfin Cosel. Diese geheimnisvolle, gebrochene Frau, 20 Jahre eingesperrt auf der Burg Stolpen. Schon als Kind stand ich dort vor ihren Porträts. Doch wer verbarg sich hinter aller Schminke und Perücken? Das reizt mich als Malerin: das wahre Gesicht der Menschen.

Kommen wir nun zu Ihrem neuen Buch „Mumpelmoff und das Wunder am Schloss“. Worum geht es darin?

Mumpelmoff ist ein kleines, etwas eigenwilliges Wesen, das in einem alten Schloss lebt - ganz allein, nur mit seinem Luftballon Kleinmeins. Gegen die Langeweile braut er sich Sockentee, näht Froschstrümpfe und hört Märchenschallplatten. Als Mumpelmoff eines Tages eine Eulenprinzessin vor seinem Fenster sitzen sieht, fasst er einen gewaltigen Entschluss: Er muss hinaus in die Welt, er muss sie kennenlernen. Nur wie, wenn man schüchtern ist und selbst immer an sich zweifelt? Also beginnt er, sich zu verkleiden, und ehe er es sich versieht, steckt er mitten im größten Abenteuer seines Lebens. 

Mit Ihren wunderbaren Illustrationen erwecken Sie Ihre Geschichten zum Leben. Warum ist es Ihnen so wichtig, im digitalen Zeitalter Ihre Bilder von Hand zu zeichnen?

Ganz einfach: Weil es mir riesigen Spaß macht. Natürlich sind Handzeichnungen zeitintensiver, aber ich brauche einfach meine alte Vase mit dem Wasser und den Pinseln drin, die schiefen Federstriche, die Klekse auf dem Papier. Wenn das altmodisch ist, stehe ich dazu.

Welche Botschaft möchten Sie Kindern und Erwachsenen mit Ihrem Buch auf den Weg geben?

Dass niemand perfekt sein muss, um liebenswert zu sein. Dass es vollkommen in Ordnung ist, anders auszusehen oder Eigenarten zu haben - denn die machen uns erst besonders. Und ich möchte zeigen, dass Freundschaft nicht entsteht, wenn man sich verstellt oder verkleidet, sondern wenn man zeigt, wie man wirklich ist. Und, dass es manchmal auch Mut und Überwindung braucht, sich selbst treu zu bleiben, aber dass genau darin der Zauber liegt. Wenn man am Ende das Buch zuschlägt und denkt: „Hey, ich bin ja genau richtig, wie ich bin“, dann hat Mumpelmoff alles richtig gemacht. 

Rufus Beck hat das Hörbuch zum Buch eingesprochen. Wie kam es dazu?

Das war tatsächlich einer dieser unglaublichen Zufälle. Eines Tages stand Rufus Beck zusammen mit einem Bilderkunden vor der Tür. Während der Kunde sein Porträt abholte, sah sich Rufus um, sah meine Zeichnungen herumliegen, die Illustrationen zum Buch - und auch das Manuskript. Er fragte mich, ob ich es ihm überlassen könne zum Lesen. Einige Zeit später meldete er sich, und noch bevor das Buch einen Verlag hatte, sprach er mir die komplette Geschichte ein.

Zu guter Letzt: Welches ist Ihr sächsisches Lieblingswort?

Ganz klar: „Nu“. Und „mumpeln“. Daher kommt im Übrigen auch der Name für den kleinen, verfressenen „Mumpelmoff“.

Vielen Dank für das Interview!