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Elias Bixl ist Mitte zwanzig, stammt aus dem idyllischen Mittelsachsen, studiert an der Hochschule Mittweida und liebt und lebt alte Musik. Zu Tage tritt diese Leidenschaft nicht etwa in einem eklektizistischen Kleidungsstil oder Benehmen, sondern in seiner atemberaubenden Begabung historischen Tasteninstrumenten feinste Klänge zu entlocken. Insbesondere die Register und Traktur der Orgel haben es dem Medienmanagement- und Medientechnik-Studenten angetan.

Der junge Mann aus Waldheim brachte sich das Spiel an der Orgel nach 10 Jahren Klavierunterricht größtenteils selbst bei und ist seit 2015 ehrenamtlicher Organist seiner Heimatgemeinde Waldheim-Geringswalde. So heftig wie seine Altersgenossinnen und -genossen beispielswiese zu 01099, Nina Chuba, Danger Dan oder Lena Meyer-Landrut abhotten und jeden Social Media-Gruß ihrer Stars eiligst aufsaugen, genauso stark begeistert sich Elias Bixl für Choräle und Orgelwerke von Johann Sebastian Bach, Dieterich Buxtehude oder Max Reger. Wir haben uns mit Elias Bixl getroffen und ihn ein bisschen zu seinem durchaus außergewöhnlichen Tun befragt.

Lieber Herr Bixl, wenn Ihre Kommilitonen an einem Sonntagmorgen verschlafen aus ihren Wigwams mitten auf dem Zeltplatz am Rande eines Festivalgeländes krabbeln und sich auf die Mainacts des Abends einstimmen, sitzen Sie auf der Orgelempore und stimmen liturgische Lieder an. Wie kamen Sie dazu und unterscheidet sich Ihr Alltag von dem Gleichaltriger?

Angefangen hat meine Liebe zur Orgel beim Krippenspiel 2014. Oder fast. Eigentlich wollte ich mich nur vor meinen bescheidenen Schauspielkünsten drücken. Es gab einen neuen Deal: „Du kannst doch mal im Gottesdienst Klavier spielen“. Gesagt, getan. Bei diesem einen Gottesdienst ist es natürlich nicht geblieben. Meine Vorkenntnisse im Klavierspielen waren zu diesem Zeitpunkt schon gut ausgebaut. An der Musikschule „Carl Philipp Emanuel Bach“ Döbeln bekam ich Klavierunterricht von Jürgen Schulze, der auch mein Interesse für Alte Musik entflammte. Seit einigen Jahren sitze ich nun sonntäglich auf den Orgelbänken im Kirchenbezirk Leisnig-Oschatz. Ein durchaus großes Gebiet, doch ist gerade die Vielfalt unserer mittelsächsischen Orgellandschaft das, was mich reizt. Geübt werden muss natürlich auch, vor allem für Konzerte. Da ist auch der größte Unterschied zu meinen Gleichaltrigen: Den ein oder anderen Abend verbringe ich in der kalten Kirche statt im Studentenclub. Übrigens kühlt dies im Sommer genauso gut wie ein Besuch im Freibad. Bei alldem habe ich meinen Kommilitonen dann aber doch so einiges gemein. Der ein oder andere Abend war mal zu lang und die Acht-Uhr-Vorlesung fiel demzufolge flach. Zum sonntäglichen Dienst sitze ich dann aber doch wieder pünktlich auf der Orgelbank.

Was begeistert Sie an historischen Musikerpersönlichkeiten und ihren Werken und spielt der Glaube eine gesonderte Rolle in Ihrem Alltag?

Die Welt der Klassik ist so unfassbar groß, man kann gar nicht alles spielen, was einen unter den Fingern juckt. So wie heute auch, ist Musik immer ein Spiegelbild der Zeit, in der sie entstand. Wenn man diese Musik auf historischen Instrumenten wieder zum Leben erwecken kann, geht man auf Zeitreise. Ebenso begegnet man den jeweiligen Komponisten: dem weltberühmten Händel auf der Höhe seiner Karriere, genauso wie einem zweifelnden Bach, der nicht nur Frau, sondern auch Kinder verloren hat. Bach unterschrieb seine Werke stets mit Soli Deo Gloria: „Gott allein [sei] die Ehre“. Sein Gottvertrauen war selbst in schwersten Zeiten da – das merkt man. Und als Vorbild nehmen kann man sich dies auch. Wer sich an den grundsätzlichen christlichen Werten orientiert, hilft nicht nur seinen Mitmenschen, sondern auch sich selbst. Genauso sind manche Sitten und Formulierungen an der Zeit, überholt zu werden. Auch das hält Glauben lebendig und aktuell. Für mich persönlich ist vor allem die Musik Quintessenz meines Glaubens. Wie Martin Luther schon zu sagen pflegte: „Wer singt, der betet doppelt“.

Neben Ihrer Tätigkeit als ehrenamtlicher Organist auch in anderen Gemeinden des Landkreises sind Sie mit vielen weiteren Aufgaben des Gemeindelebens betraut. Wie Unterstützen Sie die Gemeinde bei Ihrer täglichen Arbeit und inwiefern hilft Ihnen Ihr Studium dabei?

Mit dem Beginn der COVID-19 Pandemie startete meine Kirchgemeinde, kleine Videos auf YouTube zu veröffentlichen. Als gar nichts mehr ging, gab es so noch immer ein lokales Angebot. Daraufhin wurde ich – als frischer Medien-Student – auch recht schnell ins Boot geholt. Inzwischen sind knapp 260 Videos erschienen, meistens musikalischer Natur. Highlights darunter waren eine Christvesper auf der Burg Kriebstein und unser Adventskalender 2022/23. Dieser begleitete vom ersten Advent bis zum Epiphaniastag am 6. Januar unseren Kirchverbund. Nicht 24, sondern knapp 40 Tage lang. Gäste darunter waren der erste Gewandhausorganist Matthias Eisenberg, die Sächsische Bläserphilharmonie, Organist und Musikwissenschaftler Felix Friedrich oder der Schweriner Domorganist Jan Ernst. Das alles schafft Mehrwert und brachte die Gemeinschaft bis in die heimische Stube. In unregelmäßigen Abständen werden auch jetzt noch Videos veröffentlicht. So demnächst aus der Schlosskirche Augustusburg.

Auch unser Gemeindebrief ist eine Erwähnung wert. Deutlich professioneller als bei so manchen Großstadtgemeinden berichten wir über Themen des von Grimma bis Mittweida reichenden Kirchverbunds und darüber hinaus. Als Pilotprojekt, u.a. bei uns gestartet, wird die Software zur Online-Zusammenarbeit jetzt in immer mehr Gemeinden der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen ausgerollt.

Stichwort „Irgendwas mit Medien“. Wie kamen Sie zu Ihrem Studienfach? Warum sind Sie hierfür in der Region geblieben und welche Projekte beschäftigen Sie aktuell in Mittweida?

Als ich noch vor der Wahl eines passenden Studienganges stand, besuchte ich auch das nahegelegene Mittweida zum Studieninformationstag. Ohne genaues Ziel stand ich plötzlich im großen TV-Studio der Medienfakultät. Liebe auf den ersten Blick, kann man sagen. Wer Mittweida als Campus kennt, wird verstehen, warum es jedes Jahr aufs neue Studenten aus ganz Deutschland in die Kleinstadt zieht. Das Motto „Mittweida ist das, was du daraus machst“ lässt sich Außenstehenden schwer erklären, doch die praxisnahe Lehre, moderne Ausstattung und die kompetenten Lehrenden sprechen für sich. Natürlich kommt auch das Studentenleben nicht zu kurz und eine breitere Clubszene ist in Chemnitz nur eine Bahn entfernt.

Medienfakultät heißt vormittags lernen, nachmittags produzieren. Jedes Semester beschäftigen wir uns daher mit verschiedenen Praxisprojekten. Der Master beschäftigt sich mit neuen Technologien und der Forschung. So haben wir dieses Semester eine TV-Show mit starker Zuschauereinbindung produziert. Konzipiert wurde aber auch ein Format für die Kulturhauptstadt 2025. Ein kleines Forschungsprojekt beschäftigt sich dagegen mit der Wirkung von Historienfilmen auf die Zuschauer.

Bach, Mendelssohn, Schumann, alles sächsische „Musikstars“ vergangener Tage. Welche heutigen, vielleicht sogar aus Sachsen stammende Musikstars finden über Ihre Kopfhörer den Weg in Ihr
Gehör?

Generell bin ich sehr offen für alle mögliche Musik und schaue auch gerne über den Tellerrand. Nah an der klassischen Musik ist natürlich der Jazz. Der ist auch öfters durch meine Kopfhörer zu hören, auch wenn ich da keine bestimmten Interpreten verfolge. Ich verlasse mich mehr auf die Vorschläge von Spotify und Co. Aber auch die Klassiker der 70er, 80er Jahre wie „Cat Stevens“ oder „Queen“ ertönen bei mir oft. Daran schließen sich auch Prog-Rock Bands der heutigen Zeit wie „The Flower Kings“ oder „Muse“ an. Eine kleine, aber empfehlenswerte sächsische Indie/Folk-Band ist, wie ich finde, „Foreghost“ aus Chemnitz.

Haben Sie schon mal probiert neuere Songs der Pop- und Rock-Geschichte oder den aktuellen Charts auf der Orgel zu interpretieren?

Solche Anfragen kommen natürlich insbesondere bei Hochzeiten immer mal wieder. Die Wünsche setze ich dann auch gerne um. Auch wenn ich neuere Musik lieber auf dem Klavier spiele und höre, sehe ich das Potenzial, welches moderne Orgelinterpretationen mit sich bringen. Im Internet sind schon manche neu gedachten Hits viral gegangen. So rückt die Orgel wieder mehr in das Sichtfeld der Allgemeinheit. Ich bin aber auch ehrlich: Altes liegt mir besser. Neues überlasse ich Musikern wie Nico Wieditz, der regelmäßig ganze Kirchen mit seinen modernen Interpretationen füllt. Dann auch gerne mit mir im Publikum.

Welchen Berufswunsch hegen Sie? Professioneller Kameramann, Medienmanager, Mediengestalter oder Profimusiker?

Nach dem Bachelor war eigentlich klar: Es wird wohl Kameramann werden. Die Zeit bis und während des Masters haben mir aber gezeigt, wie viel Spaß mir die Arbeit hinter den Kulissen z. B. in Planungspositionen macht. Dieser Weg wird sich sicherlich mit der Musik und Kultur verbinden lassen. Und auch vor den Pfeifen werde ich mich weiterhin sehen und hören lassen.

Dur oder Moll. Bei Ihrer Gemeindearbeit aber auch bei Ihren Konzerten kommen Sie mit unterschiedlichen Menschen in Kontakt. Hören und sehen viel. Was würden Sie sich für das menschliche Miteinander in Sachsen und insbesondere außerhalb der Kirchenmauern wünschen?

Leider gehen wir heutzutage viel zu wenig aufeinander zu. Auch wenn es einem selbst nicht leichtfällt, ist es wichtig, die Sorgen derer zu verstehen, deren Ansicht man nicht teilen kann. Nur wer sich einander zuhört und respektvoll in einen Diskurs tritt, kann Lösungen finden. Leider gewinnt extremistisches, rechtes Gedankengut in vielen Teilen unserer Gesellschaft immer mehr an Zuspruch. Auch wenn diese Ansichten gegen die Grundwerte der Kirche verstoßen, zieht sich auch durch diese Gemeinschaft ein Riss. Jetzt ist es wichtig, dass wir uns auf unsere gemeinsamen Werte (zurück)besinnen. Sachsen ist vielfältig und lebendig. Genau diese Vielfalt sollten wir als Stärke begreifen und nutzen. Sich von Intoleranz und Ausgrenzung leiten zu lassen haben wir nicht nötig.

„So geht Sächsisch.“ befasst sich selbstverständlich auch mit dem sächsischen Dialekt. Wir bemerken, dass Sie eher Hochdeutsch mit einem Quantum Obersächsisch sprechen. Wie stehen Sie
zum Dialekt und haben sie ein typisches sächsisches Wort in Ihrem täglichen Wortschatz verankert?

Menschen, die flüssig in ihrem Dialekt sprechen können, fand ich schon immer interessant wie auch amüsant. Sächsisch gehört zur Region genauso wie große Felsen ins Elbsandsteingebirge. Bewusst entschieden habe ich mich für mein Hochdeutsch nie. Einzelne Worte mischen sich dann doch mal ein. So ist es in den letzten Wochen schon ne ganz schöne Dämmse, ne wahr?

Sie haben schon viele historische Orgeln an unterschiedlichen Orten spielen dürfen. Welche Orgel bzw. wo würden Sie einmal gerne die Register ziehen?

Wirklich reizen würden mich u.a. die Müller-Orgel in der St.-Bavo-Kirche in Haarlem oder die Schnitger-Orgel in der „Der Aa-kerk“ in Groningen. Die Niederlande haben eine genauso reiche Orgelgeschichte wie Sachsen und Thüringen. Doch auch in Sachsen müssen noch einige Instrumente abgegrast werden. So z.B. die Sauer-Orgel in der Leipziger Thomaskirche, auf welcher viele Werke Max Regers uraufgeführt wurden.

Herzlichen Dank, lieber Herr Bixl, für das angenehme, musikalische Gespräch!

Fotos: Leon Petzoldt

Ach Herr, mich armen Sünder v. Krebs | Bixl

Ach Herr, mich armen Sünder v. Krebs | Bixl | St.-Otto Wechselburg | Schramm-Orgel | Musik. Gruß #26

»Ach Herr, mich armen Sünder« von Johann Ludwig Krebs

Elias Bixl spielt das bewegende Stück »Ach Herr, mich armen Sünder« von Johann Ludwig Krebs. Als Schüler von Johann Sebastian Bach zeigt Krebs in diesem Werk seine tiefe Verwurzelung in der barocken Musiktradition und seine meisterhafte Fähigkeit, emotionale Tiefe auszudrücken.