Neugierig war sie immer schon.
Frau Mehlis, was genau macht eine Analog-Astronautin?
Analog-Astronauten sind speziell ausgebildete Raumanzugtester. Sie werden nach einem umfassenden Auswahlverfahren selektiert und durchlaufen eine mehrmonatige Grundausbildung. Eingesetzt werden sie für vorbereitende Forschungs- und Entwicklungsarbeiten bei technischen Tests zur Simulation künftiger, bemannter (Mars)- Expeditionen.
Das klingt alles recht technisch. Sie werden aber doch schon recht bald in den Praxistest gehen, richtig?
Das stimmt! Seit 2019 gehöre ich zum Team des Österreichischen Weltraum Forums. Sowohl bei unserer letzten Mission in der Negev-Wüste in Israel, als auch beim nächsten Einsatz in Armenien 2024 wird es darum gehen, Hardware zu entwickeln und Arbeitsabläufe zu optimieren. Wir forschen daran, wie zukünftige planetare Oberflächenmissionen auf dem Mond oder dem Mars von Menschen und Robotern gemeinsam durchgeführt werden können. Dafür entwickeln wir eine „Exploration Cascade“, die den wissenschaftlichen Rahmen für die Missionsexperimente liefert. Sie schreibt die Abfolge und den Umfang der wissenschaftlichen Experimente aus der Perspektive verschiedenster Fachgebiete vor, die auf der Suche nach Leben gelingen müssen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Astrobiologie, Geologie und Robotik, aber auch medizinische, psychologische und andere Experimente werden durchgeführt.
Wer wird von Ihren Erfahrungen profitieren?
Die Ergebnisse der Experimente werden von den Forschungsteams in internationalen Fachzeitschriften publiziert und stehen damit der gesamten wissenschaftlichen Welt zur Verfügung. Wir arbeiten bei konkreten Projekten, zum Beispiel bei der Textilentwicklung oder beim 3-D-Druck, aber auch mit der Europäischen Weltraumagentur (ESA) zusammen. Mittlerweile existiert auch ein sogenanntes „Science Data Archive“, in dem alle Ergebnisse gesammelt zur Verfügung stehen und für spätere Forschung nutzbar bleiben.
Wann begannen Sie, sich für die Raumfahrt zu interessieren? Woher kommt diese Leidenschaft?
Schon als Kind haben mich Technik und Raumfahrt interessiert, sicher auch durch die Begeisterung meiner Eltern für Astronomie, Flugzeuge und eben Raumfahrt. Auch in der Raumfahrtausstellung in Morgenröthe-Rautenkranz war ich schon als Kind mehrfach. Allerdings hätte ich noch bis vor wenigen Jahren Astronautin nicht zum „Traumjob“ erklärt – auf die Idee kam ich gar nicht, weil das viel zu unwahrscheinlich erschien.
Würden Sie sagen, Analog-Astronautin ist Ihr Traumjob?
Ich mache diesen Job ja im Ehrenamt. Soll heißen, ich verdiene damit kein Geld, insofern würde ich es nicht als Traum“job“ bezeichnen. Außerhalb der Raumfahrt arbeite ich als Wissenschaftlerin, in der Erwachsenenbildung, als Übersetzerin, als systemische Beraterin, und ich habe einen Podcast. Ich führe ein wunderbar bereicherndes Leben, lerne viel und bekomme viele spannende Einblicke. Es fühlt sich absolut toll an, einen Platz gefunden zu haben, an dem ich alle meine Fähigkeiten und Erfahrungen einbringen und immer noch wachsen und lernen kann.
2018 haben Sie von Ihrer eigenen Hochbegabung erfahren. Danach konnten Sie vermutlich vieles in Ihrem Leben neu einordnen. Würden Sie aus heutiger Sicht sagen, eine Hochbegabung ist mehr Fluch oder eher ein Segen?
Sowohl als auch. Es gab Zeiten und Momente in meinem Leben, in denen ich die Art, wie mein Kopf funktioniert, durchaus eher als Fluch wahrgenommen und mir nichts sehnlicher wünschte, als ihn ab und zu mal ausschalten zu können. Mit der „Diagnose“ und den darauffolgenden Erfahrungen und Erkenntnissen habe ich heute aber absolut meinen Frieden gemacht. Heute empfinde ich es als Bereicherung und willkommenes Werkzeug – und ich spüre auch eine gewisse Verantwortung, diese Begabung „gewinnbringend“ für die Gesellschaft einzusetzen.
Sie sind Mutter dreier Töchter – wie finden es Ihre Mädels, dass ihre Mama regelmäßig die Jeans gegen den Raumanzug tauscht?
Da müssten Sie meine Töchter vermutlich selbst fragen. Ich denke, dass sie schon auch stolz auf mich sind. Allerdings ist es für sie nicht so ein großes Thema. Dass ich immer mal längere Zeit nicht da bin, finden sie aber nicht ganz so toll.
Sie sind in Plauen geboren. Was bedeutet für Sie „typisch sächsisch.“?
Über diese Frage musste ich ziemlich lange nachdenken, da ich oft merke, dass ich mich eher als Weltbürgerin oder Europäerin empfinde, denn als „Deutsche“ oder gar „Sächsin“. Gerade dieser Kontrast ist es jedoch, der für mich „typisch sächsisch“ ist. Wenn ich nach Auslandsaufenthalten oder Dienstreisen wieder nach Hause komme und vertraute Wälder, Felder und Orte vorbeiziehen sehe, spüre ich das Gefühl von Heimat. „Typisch sächsisch“ ist aber auch die Verbindung aus Historie und Zukunft, die vielen bunten, spannenden Lebenswege und Geschichten. Hier in der Region ist so viel erfunden und entwickelt worden. Und es gibt so viele tolle Projekte und Menschen, die etwas gestalten und bewegen wollen. Das begeistert mich immer wieder, und drum lebe ich total gern hier und lasse mich davon inspirieren. Traurig stimmt mich allerdings, dass der Blick auf Sachsen von außen durch die mediale Berichterstattung oft so negativ geprägt ist - und ich schäme mich stellvertretend dafür. Zum Glück ist die Mehrheit der Sachsen tolerant und offen – sie sollten viel mehr gesehen werden!
Zum Schluss zwei Fragen mit Augenzwinkern: Sollten Sie einem Marsmenschen begegnen – welchen Ort in Sachsen würden Sie ihm empfehlen ?
Oh, das ist gar nicht so leicht! Ich glaube, einem Marsmenschen (den es natürlich nicht gibt) würde ich eine Wanderung entlang der Kammloipe im Erzgebirge empfehlen, mit den märchenhaften rauschenden tiefen Wäldern, den spektakulären Ausblicken. Und dann eine Einkehr in einer Hutznstub mit leckerem Essen. So käme er wohl am besten ins Gespräch mit Land und Leuten.
Und: Welches sächsische Gericht sollte er unbedingt mal gekostet haben?
Ganz klar: Bambes - am besten mit frischen Pilzen aus dem vogtländischen Wald und, für Fleischesser, mit Wild serviert.
Vielen Dank!