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Energiewende – eine literarische Annäherung

Interview mit Prof. Ingo Uhlig

Herr Prof. Uhlig, in Ihrem neuen Buch „Energiewende erzählen. Literatur. Kunst. Ressourcen“ widmen Sie sich einem der drängendsten Themen unserer Zeit, der Energiewende. Die Geschichte der Energie, wie nähern Sie sich ihr?
Mich interessiert, dass es in der Geschichte der Energie sehr viel Entdeckungen gibt. Dass unser Umgang mit Energie eine Geschichte der Umbrüche und Innovationen ist: die Entdeckung der Elektrizität, die Umbrüche der Dampfkraft im 19. Jahrhundert, die Verbreitung des Erdöls, die Entdeckung der Kernspaltung. Das waren alles historische Energiewenden. Und nun die Innovationen, die zeigen, dass wir uns mit Energie versorgen können, ohne unseren Planeten zu zerstören, mittels der erneuerbaren Energien.

Sonne, Wind, Wasser, Öl, Gas, Uran, Kohle – die Ressourcen unserer Erde sind in vielerlei Hinsicht endlich und bedürfen eines besonderen Schutzes. Doch darum geht es in Ihrem Buch nur am Rande. Wie spannen Sie den Bogen zur Literatur
Die Geschichte der Energiesysteme besteht eben nicht nur aus Technik, Rohstoffen und Infrastrukturen. Sie ist auch eine Geschichte der Erzählungen. Zur Energie gehören Diskurse, Emotionen, ein Kräftefeld von Deutungsmächten, Befürwortung und Ablehnung. Unter anderem hier ragt die technische Seite der Energie in unsere Kultur. Über diesen Bereich – über Energienarrative und Energiekulturen – können die Literatur und die Kunst sehr überraschende und sehr profunde Auskünfte geben, um zum Beispiel zu verstehen, wie Innovation funktioniert, wie sie sich gesellschaftlich durchsetzt oder auch ausgebremst wird.

Sie sind Medien- und Literaturwissenschaftler, forschen auch selbst zu Themen wie Energiekultur, Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Die Energie, ihre Geschichte und ihre Zukunft, ist Ihr Lebensthema, wenn man so will. Haben Sie sich immer schon für die Umwelt engagiert? Woher kommt dieses Interesse und warum die literarische Annäherung?
Ich habe wie viele aus den Literaturwissenschaften lange rein historisch geforscht, zu Themen des 17. oder 18. Jahrhunderts. Das war eine vollkommen gängige Herangehensweise, erscheint mir aber heute weit weg. Ein wenig wie der berühmte Elfenbeinturm. Heute möchte ich mich mit meiner Arbeit in aktuelle Themen einbringen, die so dringende ökologische Transformation versuchen mitzugestalten. Dieses Interesse entstand, als die Klimakrise stärker ins Bewusstsein drang, etwa in der Mitte des letzten Jahrzehnts.

Welchen Beitrag kann Ihrer Meinung nach die Literatur für ein besseres Verständnis der Notwendigkeit der Energiewende leisten?
Der einfache Teil der Antwort lautet, dass die Literatur in Sachen Klimawandel und Klimaschutz seit langem sensibilisiert und auch alarmiert. Das Nature Writing etwa ist eine Gattung, die definitiv eine wachere Wahrnehmung erzeugt und zeigt, dass wir ein sehr verletzlicher Teil eines ökologischen Ganzen sind. Regelrecht alarmiert werden wir von der sogenannten CLiFi, also der ClimateFiction, die die Dystopien der Klimakatastrophe beschreibt. Der schwierigere Teil der Antwort müsste den Sachverhalt berücksichtigen, dass es kaum gegenwartsnahe Erzählprojekte gibt, die sich von erneuerbaren Energien oder der Energiewende fasziniert zeigen. Das mag unter anderem damit zusammenhängen, dass Infrastrukturprojekte in derart großem Maßstab in der Kunst lange Zeit Misstrauen erzeugten. Ich fände es daher ziemlich interessant, wie eine Annäherung von Ingenieurskunst und der Literatur aussehen könnte.

Wie sieht Ihr ganz persönlicher Beitrag zum Klimaschutz aus?
Kennen Sie die Idee der Suffizienz? Ich meine nicht dieses überkommene Verständnis, dass uns Suffizienz Verboten und trister Disziplin unterwirft, sondern jene Idee, dass weniger mehr ist, dass es um Qualität statt um Konsum in Masse geht. Wenn man auf diesem Feld ein bisschen experimentiert, beim Kaufen und Kochen, beim langsameren Reisen, bei der Wohnraumnutzung oder beim Teilen von Dingen, stellt sich jener Beitrag zum Klimaschutz oft automatisch ein und macht – große Überraschung – sogar Freude. Ich für meinen Teil versuche, diese positive Art von Suffizienz zu entdecken, und das ist auch eine der Richtungen, in der ich aktuell forsche.

Nun die Gretchenfrage: Wie lautet Ihr Patentrezept – raus aus der Kohle oder nicht? Auch in Sachsen wird diese Frage derzeit ja heiß diskutiert.
Natürlich: Raus der Kohle. Ich verstehe durchaus die Wertschätzung und die Traditionen, die mit diesem Rohstoff verbunden sind. Aber die andauernden Diskussionen verschenken Zeit und Chancen, nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich. Erneuerbare Energien sind längst ein Vorteil in Standortkonkurrenzen, und sie stecken voller Innovationschancen. Man kann diesen Zug, bei dem es ganz klar um Wertschöpfung (von Ländern, Regionen oder Kommunen) geht, davonfahren lassen. Aber man kann auch nach vorn schauen und die damit verbundenen Chancen ergreifen. Stellen Sie sich vor, gerade ein so traditionsreiches Land wie Sachsen würde sich und seine Industrien erneuerbar aufstellen. Mit Selbstbewusstsein – „So geht sächsisch.“ für die Zukunft, das wäre die richtige Weichenstellung.

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Spector Books verlegt Bücher am Schnittpunkt von Kunst, Film, Architektur, Theorie und Design.

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