„Lyrik ist kein Luxus in Krisenzeiten, sondern ein Lebenszeichen“, soll der niederländische Autor Cees Nooteboom einmal gesagt haben. Lebenszeichen, die immer mal wieder aufflackern. So wie 2015 und 2017, als der Lyriker und Übersetzer Jan Wagner zunächst den Preis der Leipziger Buchmesse und dann mit dem Georg-Büchner-Preis den renommiertesten Literatur-Award im deutschsprachigen Raum erhalten hat. Auch große Krisen wie die Corona-Pandemie und aktuell die russische Aggression gegen die Ukraine verschaffen der Lyrik immer wieder größere Durchsetzungskraft. Als Lebenshilfe, Orientierung oder schlicht als Ablenkung. Ebenso Trends wie Poetry Slams, und selbst Twitter (twyrics!) hilft. Das können auch die Preisträgerinnen des Sächsischen Verlagspreises Ulrike Feibig und Martina Lisa vom hochroth Verlag Leipzig bestätigen. Und dennoch: Lyrik ist kein einfaches Geschäft.
Kollektiv zur Qualität
Bei hochroth heißt das: Das Programm wird durch autarke Entscheidungen der Standorte und das übereinstimmende Selbstverständnis geprägt. Im Netzwerk und auf Basis ehrenamtlichen Engagements lassen sich schwierige Literatur- und Publikationsprojekte mit hohem Anspruch kostengünstig umsetzen. Auf diese Weise entstehen qualitativ hochwertige, bibliophile Bände in kleinen Auflagen, die, so die hochroth-Philosophie, „zum Lesen geschaffen werden, die keine Gedanken an Geld, Prestige oder sonstigen Übermut aufbringen und damit einem übergeordneten Ziel verpflichtet sind – gute Literatur“.
Und das mit Erfolg. Die aktuelle Autoren- und Übersetzer-Liste umfasst knapp 200 Namen, berühmte wie Helga M. Novak, Thomas Brasch oder Nelly Sachs, dazu jede Menge mögliche Entdeckungen und neue Stimmen.
Pionierarbeit Richtung Osten
Wichtigstes Ziel der ehrenamtlichen Verlegerinnen ist es, Lyrik aus der Nische zu holen, Sichtbarkeit für Werke und Autoren herzustellen. Das ist nicht einfach und funktioniert am besten über Direktvertrieb. So findet man hochroth-Mitarbeiter und Autoren auf zahlreichen Veranstaltungen in Leipzig, natürlich auch auf der Leipziger Buchmesse und in ihrem Rahmenprogramm „Leipzig liest“. Hier gibt die von hochroth 2012 initiierte Lyrikbuchhandlung einen Einblick in die aktuellen Programme zahlreicher unabhängiger Verlage aus dem deutschsprachigen Raum und Autoren und Verlegern abseits des Messegeschehens eine Bühne für Austausch und Impulse.
Dennoch, so bemängeln Feibig und Lisa, fehle es außerhalb der großen Buchevents an weitreichender Präsenz für die Poesie und ihre Verlage. Außerdem müsse die Vermittlung von zeitgenössischer Literatur ihrer Ansicht nach in den Schulen viel früher und qualifizierter beginnen. Damit nicht das passiert, was der preisgekrönte Jan Wagner einmal in einem Deutschlandfunk-Interview zu Protokoll gab: „Ich glaube, dass die Schule den Menschen die Gedichte vermiest hat. Es ist ein Grundproblem, dass die Leute denken, ein Gedicht ist etwas, das man interpretieren muss, dem man etwas abpressen muss.“ Dabei sei, so Wagner, die Lyrik etwas, mit dem die Leute spielen könnten, das ihnen helfen könne, die Welt zu entdecken. Ein Credo, dass auch Ulrike Feibig und Martina Lisa teilen.
hochroth Verlag
hochroth ist ein Verlagskollektiv mit sechs eigenständigen Standorten, die sich der Publikation von Lyrik widmen.
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