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Museum der Woche

ZeitWerkStadt Frankenberg

Zeit schimmert durch die Dinge

Gefühlt tropft sie endlos lang von trägen Zeigern, gefühlt sind Jahre nur ein Wimpernschlag. Alles und nichts kann sie sein; sie geht vorbei und doch bleibt sie – die Zeit. Die Gestoppte, die Verplante, die Gestohlene, die Geschenkte. Dem Zahnrädchen haftet sie an; auf’s Ziffernblatt ist sie gebannt, im Pendel schwingt sie; fliegt auf beim Gong des Glockenschlages – Zeit ist da und nicht zu fassen.

Doch Moment mal! In den Dingen kommt sie kurz zur Ruhe. Gerinnt zu Geschichte, nimmt Gestalt an in menschlichen Werken und prägt den Ort an dem diese entstehen. Im mittelsächsischen Frankenberg ist man der Zeit auf der Spur. Und Spuren gibt es viele: In der Teppichweberei, der Zigarrenherstellung, dem Druckerhandwerk und der Fahrzeugindustrie. So unterschiedlich die Bereiche sind, so einend ist der regionale Pioniergeist der allen zu Grunde liegt.

Im Erlebnismuseum ZeitWerkStadt vereinen sich Technik- und Industriegeschichte. „Hier entdecken sie Sachsens Pioniergeist.“ Erklärt Museumsleiterin Franziska Bäßler. „Viele Erfindungen, die die Welt verändert haben, kommen aus Sachsen.“
Interaktiv, informativ und spannend wird in Frankenberg der Werdegang bedeutender regionaler Erfindungen und deren fortschreitende Entwicklung im Wandel der Zeit gezeigt.

Bedeutende Anfänge (Von Mittelsachsen in die Welt)

Aus schwerem, dunklem Holz, massiv und ehrwürdig kommt die original Druckpresse aus der Mitte des 19. Jahrhunderts daher. Ein Prunkstück der Ausstellung. Einfache Mechanik für eine geniale Idee! Mit beweglichen Metalllettern wurde die Farbe auf das Papier gepresst, genau genommen auf das Holzschliffpapier, welches die eigentliche bahnbrechend Neuerung war. So entstand 1845 die erste Tageszeitung der Welt nach heutigem Standard. Ein gedrucktes Massenmedium.
Der Name der Zeitung: „Intelligenz- und Wochenblatt für Frankenberg mit Sachsenburg und Umgegend“. Die damaligen Leser und Leserinnen am Frühstückstisch: Wahrscheinlich waren sie sehr beeindruckt, ließen mit offenen Mündern den Kaffee kalt werden.

Es ist der Wandel der Medien, den die Besucher der ZeitWerkStadt nachvollziehen können. Vom gedruckten, analogen Medium über den ersten Computer bis hin zu Handy, Smartphone und Tablet, zeigt sich der Weg ins digitale Zeitalter an zahlreichen Exponaten.

Zeitgemäßer Gang durch die Ausstellung

„Frau Weberin, führen sie mich bitte durch das Museum.“ Oder soll es doch der Postbote sein? Dies sind zwei von insgesamt sechs digitalen Personen aus unterschiedlichen Epochen der Frankenberger Stadtgeschichte, die auf Wunsch durch die Ausstellung führen und vom Besucher frei wählbar sind. An vielen Stellen laden interaktive Museumserlebnisse zum Mitmachen ein. Bezogen auf die Zeit und ihr Werk heißt das soviel wie: „Wir sind in ihr – sie hat uns. Machen wir etwas daraus!“ Auf die jungen Zeitreisenden wartet unter anderem der kleine Roboter Friedhelm. Seine Rüstung ist ganz verrostet. Mittels Quiz und richtigen Antworten kann diese wieder digital auf Hochglanz gebracht werden.

Im Takt der Zeit

Was wäre Frankenberg ohne seine Automobilindustrie? Die Frankenberger Motorenwerke (Framo) haben sowohl ihren festen Platz in der Frankenberger Stadtgeschichte als auch in der Ausstellung der ZeitWerkStadt. Der Rhythmus der Zeit schlägt im Zwei- oder Viertaktmotor! Technik made in Frankenberg hat Geschichte geschrieben. Allen voran die Marke Barkas. Über die technische Pionierleistung hinaus, ist der Barkas mit seinen sympathischen Rundungen und den treu blickenden Scheinwerferaugen Teil des kollektiven Gedächtnisses einer Generation geworden. Und auch sie gehört dazu, die Träne im Knopfloch beim Durchwandern von Zeithorizonten. „Letzter Viertakter“ steht auf dem Nummernschild eines weißen Barkas B1000-1 und erinnert an die Einstellung der Produktion nach der Wende.

Umhüllt vom Fluss der Zeit

Keine Zeit ohne Raum und andersherum. Beides erleben Besucher bei der spektakulärsten Installation. Für Leiterin Franziska Bäßler ist der Time Cube „ein Highlight der Ausstellung – dank neuester Technologie wird eine 270°-Projektion erschaffen. Quasi ein Film zum „Reingehen“ – bestehend aus 116 Monitoren mit mehreren Milliarden Pixeln.“ Um Körper und Köpfe sausen Filmsequenzen zu den Ausstellungsthemen, umrunden die Besucher, vermitteln, relativieren und
faszinieren. Bezogen auf die Frankenberger Industriekultur stellt sich die Frage: Wieviel Zeit steckt eigentlich in einer qualmenden Zigarre? In der Webstruktur eines Teppichs? Im Knattern eines Barkas? Wie auch immer die Zeit beschaffen sein mag – beim Besuch in der ZeitWerkStadt vergeht sie wie im Fluge und bleibt doch stehen. Die ausgestellten technischen Errungenschaften lenken den Besucherblick vom Gestern in die Gegenwart. Im Spannungsfeld fortschreitender Technik wird lokale Industriegeschichte verortet und zeitlos bewahrt. Was immer Zeit auch sein mag – ewiger Kreislauf oder offenes Ende? Die ZeitWerkStadt in Frankenberg lädt zum Staunen und Fragen ein.

Fotos: Xaver Grimplini