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Reisen & Entdecken

Bach & Leipzig - „Bach ist eine Religion!“

Interview mit Benedikt Kristjánsson, Tenor

Der junge isländische Tenor Benedikt Kristjánsson gilt als der einer der besten Bach-Interpreten der Gegenwart. Seinen ersten Gesangsunterricht erhielt er bei seiner Mutter Margrét Bóasdóttir an der Reykjavík Akademie für Gesang. Er studierte an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin und besuchte u.a. Meisterkurse bei Peter Schreier. Solistische Engagements führten ihn in die berühmtesten Konzertsäle der Welt. In diesem Jahr ist der Tenor erstmals auch beim Bachfest Leipzig zu erleben. Wir haben mit ihm über den sächsischen Dialekt, seinen persönlichen Bezug zu Bach und die Thomaskirche und das diesjährige Motto des Bachfestes gesprochen.

Welche Dinge verbinden Sie spontan mit Sachsen?

Benedikt Kristjánsson: Ich denke als erstes an den Dialekt! Ich habe es auch meiner Familie in Island schon oft erzählt: Sächsisch macht einfach fröhlich. Der Dialekt hat etwas Beschwingendes, der mich auch an skandinavische Sprachen erinnert und mir deshalb wohl auch vertraut vorkommt. Ich liebe Leipzig, war beruflich und privat aber auch schon in Dresden und dem Erzgebirge unterwegs.

Was bedeutet Bach für Sie?

Benedikt Kristjánsson: Ich hatte bereits in meiner Kindheit sehr häufig Berührungspunkte mit Bach. Seine Musik hat einen hohen Stellenwert für meine ganze Familie. Meine Mutter war Sängerin und Chorleiterin, mein Vater Bischof. Bach ist der Komponist, den ich schon mein ganzes Leben höre, singe und liebe. Er ist eine Religion. In Fachkreisen sagt man, dass Musiker nicht an Gott glauben, aber an Bach. Mit 15 Jahren habe ich in meiner isländischen Heimat erstmals seine Kantaten gesungen. Es war schnell klar, dass meine Stimme gut in die Barockmusik passen würde.

Hat Leipzig als prägende Wirkungsstätte von Bach für Sie eine besondere Bedeutung?

Benedikt Kristjánsson: Es war schon immer mein Traum, in der Thomaskirche zu singen. Karfreitag 2020 hat sich dieser Traum erfüllt. Ich war bei der Aufführung der Johannispassion in der leeren Kirche, nah an Bachs Grab dabei. Es war ein spezieller Moment, der meine Erwartungen noch einmal komplett übertroffen hat. Es war aber auch eine neue Herausforderung für mich. Bei einer Streamingproduktion ohne Zuschauer in der Kirche weiß man nicht, wie und ob man wahrgenommen wird. Es fehlt das Feedback. Ich habe die Musik deshalb noch stärker verinnerlicht. Gegenüber Bach hatte ich fast schon das Gefühl mich entschuldigen zu müssen, weil ich damals ein Stück dargeboten habe, das sonst die Thomaner singen. Nun bin ich 2021 zum ersten Mal aktiv beim Bachfest dabei.

Zum Beginn der diesjährigen Auflage haben Sie die Aufführung des Weihnachtsoratoriums als Zuschauer erlebt. Wie haben Sie die Aufführung empfunden?

Benedikt Kristjánsson: Unbeschreiblich! Den Choral singen zu hören, die Zuschauer zu beobachten, das war sehr emotional für mich. Es hat mir gezeigt, wie bereichernd Musik für den Menschen sein kann. Das diesjährige Motto „Erlösung“ passt perfekt zu der Gefühlslage, in der wir uns aktuell befinden. Wir empfinden viele Dinge, die Bach mit seiner Musik ausdrücken will, auf besondere, andere Weise, als er es wahrscheinlich angedacht hat. Aber das Wichtigste ist: Es passiert auch etwas mit uns, wenn wir keiner Konfession angehören.