Stillstand und Langeweile kennt Anika Jankowski nicht. Die studierte Musikmanagerin ist Inhaberin des Dresdner Musikverlages „Oh, My Music!“ und engagiert sich voller Herzblut für mehr Sichtbarkeit und Chancengleichheit von Frauen in der Musik. Sie veranstaltet Konzerte und Festivals, organisiert Singer-Songwritercamps für den sächsischen Musiknachwuchs, vor allem aber ist Jankowski in der Dresdner Musik- und Kreativszene bestens vernetzt. Wir haben mit ihr über ihre Leidenschaft für Musik gesprochen, darüber, was sie antreibt und welche Bandnamen man sich unbedingt merken sollte.
Frau Jankowski, Sie sind Musikmanagerin, Verlagschefin, Kulturmanagerin, Beraterin, Netzwerkerin, Aktivistin, Veranstalterin, Produktionsleiterin, Dozentin, Musikerin und Mutter. Wir fragen uns gerade: Wie viele Stunden hat eigentlich Ihr Tag?
Mein Arbeitstag hat normalerweise auch nur acht Stunden - wie bei den meisten anderen Menschen auch. Aber ich habe ein sehr gutes Zeit- und Projektmanagement. Meine Termine sind sehr an meinen Rhythmus, zu dem eben auch Freizeit mit meinen Kindern gehört, angepasst, und ich haben einen sehr kurzen Arbeitsweg.
Verraten Sie uns Ihre persönlichen „Geheimtipps“? Welche Künstler, welche Bands sind gerade angesagt bzw. im Kommen?
Bei weitem kein Geheimtipp mehr, aber eine meiner Lieblingsbands sind Ätna, auch Olicia finde ich mega spannend. I want Poetry haben soeben eine tolle EP herausgebracht, genau wie EVIN, oder weltwärts. In meinem Verlag vertrete ich mittlerweile über 50 Bands, viele davon aus Sachsen. Die find ich natürlich alle große Klasse!
Die Sichtbarkeit der Frauen im Musikbusiness ist für Sie ein großes Thema. Warum, und was treibt Sie an?
In erster Linie treibt mich die Ungerechtigkeit an. Es gibt so viele Belange und Bereiche, in denen Frauen immer noch marginalisiert werden. Ich finde es spannend zu sehen, wo neue Wege gegangen werden können, und was wir gemeinsam für eine diversere und gerechtere Lebensrealität tun können. Außerdem mag ich Frauenstimmen, liebe Songtexte und kann mich mit Künstlerinnen stärker identifizieren. Davon möchte ich mehr sehen, hören und konsumieren.
Spielt Sachsen im nationalen oder gar internationalen Musikbusiness eine Rolle?
Leider noch viel zu wenig. Wie haben tolle Potenziale, vor allem in der Nische. Diese finden im Bereich der elektronischen Musik oder wie beim Roboter-Musiker Moritz Simon Geist schon international Gehör, nur hier in der Heimat kennt die Künstler kaum jemand. Dafür ist leider unsere Medienlandschaft zu eintönig und nicht mutig genug.
Kann Sachsen mit seiner großen Tradition als Musikland dabei punkten?
Ich bin stolz auf die sächsische Tradition, auf unsere qualitativ hochwertige und breit aufgestellte Orchesterlandschaft. Leider habe ich aber das Gefühl, dass wir zu sehr auf die Vergangenheit schauen und den Anschluss ins Hier und Jetzt nicht so richtig hinbekommen. Wir haben so viele fantastische, talentierte Musiker:innen und könnten ihr Potenzial so viel effektiver nutzen.
Im Februar 2012 gründeten Sie den Verlag „Oh, my music!“, mittlerweile der zweitgrößte Rock-Pop-Verlag in Sachsen. Was waren für Sie die größten Herausforderungen der Anfangsjahre?
Bis so ein Verlag auch wirtschaftlich läuft, vergehen zwei bis drei Jahre. Das liegt daran, dass unsere Haupteinnahmequelle die GEMA-Tantiemen sind, und die relevanten Summen werden nur ein- bis zweimal im Jahr ausgeschüttet. Da brauchten wir einen langen Atem und viel Durchhaltevermögen.
Wenn Sie auf Ihre Heimat schauen, welche Klischees über Sachsen regen Sie am meisten auf?
Dass Sachsen oft als dumm dargestellt werden und im schlimmsten Fall als hinterwäldlerische Nazis.
Gibt es ein Herzensprojekt, das Ihnen persönlich besonders wichtig ist und das Sie gern voranbringen möchten?
Um ehrlich zu sein, gibt es nicht das „eine" Projekt. Ich bin wählerisch in den Dingen, die ich tue, aber wenn ich mich dann entschieden habe, stehe ich mit ganzem Herzen dahinter.
Leben und arbeiten Sie gern in Sachsen?
Unbedingt! Ich habe hier das Gefühl, etwas verändern zu können. Wir können hier wirklich noch mit so wenig so viel bewegen. Und ich liebe die sächsische Natur um mich herum.
Welche sind Ihre Lieblingsorte?
Mein kleiner Gemeinschaftsgarten hinterm Haus, die Prießnitz, die Dresdner Heide und natürlich die Sächsische Schweiz.
Was bedeutet „typisch sächsisch“ für Sie?
Der sächsische Dialekt. Den liebe ich sehr.
Was ist Ihrer Meinung nach die größte Herausforderung, der sich Sachsen perspektivisch wird stellen müssen?
Das katastrophale Image des Freistaates. Bereits 2003 hatte ich Freunde, die sich nicht nach Sachsen getraut haben, um mich zu besuchen - aus Angst vor rassistischen Übergriffen. Dieses Bild hat sich verfestigt, und es bildet leider auch die Realität ab. Doch je weiter wir uns gegenüber Neuem und dem vermeintlich „Anderen" abschotten, desto mehr schaden wir uns selbst.