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WIR SIND SACHSEN

Gerhard Schöne

Meister der leisen Töne – und der klaren Worte

„Meine Lieder sollen Lebenszeichen sein. Sie sollen ansingen gegen alles, was Leben verhindern oder einschränken will. In uns und um uns herum.“ – Gerhard Schöne ist einer der bekanntesten und beliebtesten Interpreten der ehemaligen DDR, Liedermacher, Kinderbuchautor, und er ist ein Freund der klaren Worte. Schon immer hat sich der 73-Jährige Künstler, der aus Coswig stammt und heute in Meißen wohnt, gesellschaftlich engagiert – für Frieden, Vielfalt, Toleranz und gesellschaftlichen Zusammenhalt, unter anderem als Botschafter der Kinderhilfsorganisation UNICEF und in der Entwicklungshilfe. Jüngst wurde er dafür – wie auch für sein großes musikalisches Werk - mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Am 10. Dezember bekam Gerhard Schöne den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland vom Ministerpräsidenten Michael Kretschmer überreicht, Foto: Pawel Sosnowski

Herr Schöne, was bedeutet Ihnen diese Anerkennung?

Das Bundesverdienstkreuz gilt als höchste Auszeichnung, die die Bundesregierung zu vergeben hat. Dass von staatlicher Seite ein Künstler gewürdigt wird, der sich nicht immer staatstragend äußert, ist bemerkenswert. Wenn ich zu DDR-Zeiten erfuhr, dass ich eine hohe Auszeichnung erhalten solle, beispielsweise den Kunstpreis der DDR, dann war ich meist misstrauisch, denn Künstlern, denen die Staatsmacht einen Orden verlieh, wurden beargwöhnt, sie hätten sich allzu sehr angepasst. Als ich 1989 zum Beispiel erfuhr, dass ich den Nationalpreis der DDR erhalten solle, habe ich mitgeteilt, dass ich den Preis und das Preisgeld annehmen würde.

Zur Ordensübergabe bin ich dann aber nicht erschienen und habe stattdessen das Preisgeld zur Hälfte an eine Kooperative von Schneiderinnen in Vietnam überwiesen und die andere Hälfte auf ein Sonderkonto für die Familien, deren Angehörige während einer Demo auf dem Alexanderplatz inhaftiert worden waren. So wollte ich klarstellen, auf welcher Seite ich stehe. Bei der jetzigen Preisverleihung wiederum hatte ich keinerlei Bauchschmerzen. Im Gegenteil: Ich habe mich gefreut, in einer Reihe mit Menschen stehen zu dürfen, die sich oft über viele Jahre hinweg auf ganz bemerkenswerte Weise in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen engagieren.

„Ich bekam immer irgendwie Heimatgefühle, wenn ich den vertrauten Dialekt hörte.”
Gerhard Schöne
Liedermacher und Kinderbuchautor aus Sachsen

Mit diesem Orden wurde Ihr Einsatz für den Zusammenhalt in der Gesellschaft, für Frieden und ein gutes Miteinander gewürdigt sowie Ihr Wirken bei der Vermittlung von Musik und Singen im Kindesalter. Worauf sind Sie persönlich besonders stolz?

Ich weiß gar nicht, ob ich jemals „stolz“ war. Dass ich vom lieben Gott eine Begabung mitbekommen habe, dafür bin ich sehr dankbar. Bei der Preisverleihung habe ich dann den Mann kennengelernt, der mich vor sechs Jahren fürs Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen hat. Als ich seine Begründung las, war ich auch nicht „stolz“, aber tief gerührt. Er schrieb: „Hiermit möchte ich die Auszeichnung des Liedermachers Gerhard Schöne mit dem Großen Bundesverdienstkreuz anregen. Sein außergewöhnliches (Lebens-) Werk spricht für sich. Angetrieben vom Geist tiefer Humanität, dem christlichen Glauben und der Liebe zum Leben hat er zahllose Kinder und Erwachsene musikalisch geprägt und über die Jahrzehnte begleitet. Besonders sein Wirken zur Zeit des real existierenden Sozialismus in der DDR verdient besondere Würdigung. Seine Lieder und Texte haben vielen Menschen Kraft und Hoffnung auf "bessere Zeiten" gegeben. Die Botschaft des ‘Sich-nicht-abfinden‘ mit den Verhältnissen der Zeit ist heute aktueller denn je. So ist auch Schöne aktueller denn je.“

Herr Schöne, Sie gehören zu den wenigen aus der einst stolzen und großen Schar ostdeutscher Liedermacher, deren Produktivität und Popularität auch nach 1990 ungebrochen ist. Fast 30 Alben haben Sie herausgebracht, geben nach wie vor Konzerte in der ganzen Republik. Sehen Sie Ihre Beliebtheit als Segen oder eher als Fluch?

Was sollte ich an der Popularität als „Fluch“ betrachten? Ohne ein gewisses Maß an Popularität könnte ich meinen Beruf nicht ausüben. Stünde mein Name laufend in der Klatschpresse, dann wäre das vielleicht etwas Anderes. Menschen, deren Gesicht einem ständig von Illustrierten entgegenblicken, beneide ich nicht. Ich kann meine Privatsphäre nach wie vor genießen, und darüber bin ich sehr froh.

Zu Ihren bekanntesten Songs zählt „Jule wäscht sich nie“ aus dem Jahr 1982. Ist dies auch Ihr Lieblingslied und wenn nicht, welches ist es sonst?

Nein, ganz und gar nicht. Ich weiß selbst nicht, warum ausgerechnet dieses Lied bei den Leuten so „einschlug“. Von meinem ersten Kinderliederalbum gefällt mir „Der Märchenprinz“ zum Beispiel viel besser. Von den Liedern für Erwachsene mag ich nach wie vor das Lied „Vielleicht wird’s nie wieder so schön“.

Sie sind in Coswig geboren und leben heute in Meißen. Was schätzen Sie besonders an Ihrer Heimat, was an den Sachsen?

In Coswig, war mein Vater Pfarrer, und ich kreuzte zwei Jahre lang als Vertretungs-Briefträger mit dem Fahrrad durch den Ort. In die Zeit fiel auch mein erster Fernsehauftritt. Deshalb kam es mir so vor, als würden mich alle hier kennen. Ich fühlte mich jedenfalls auf Schritt und Tritt beobachtet. Deshalb zog ich nach Berlin und habe dort zunächst die Anonymität der Großstadt genossen. Damals musste ich mir von Berufs wegen auch die sächsische Mundart abtrainieren, was allerdings nie ganz gelang. Ich bekam immer irgendwie Heimatgefühle, wenn ich den vertrauten Dialekt hörte. Irgendwann sehnten meine Frau, die aus Dresden stammt, und ich uns so sehr in die alte Heimat - das Elbtal - zurück, dass wir unsere Zelte in Potsdam abbrachen und nach Sachsen zurückkehrten. In Meißen fanden wir dann unseren idealen Lebensort. Am Stadtrand, wo wir wohnen, bilden sich die schönsten Wolken. Das ist echt ein Phänomen.

Foto: Jakob Schöne

Wenn Sie nach Ihren Konzerten Ruhe suchen, wohin ziehen Sie sich zurück? Welchen Lieblingsort haben Sie?

Unser Haus ist immer sehr belebt, denn wir sind eine große Familie mit vielen Kindern, Pflegekindern und Freunden, die oft zu Gast sind. Hier einen Rückzugsort zu finden, ist nicht ganz leicht. Deshalb habe ich mir vor kurzem meinen defekten Autoanhänger zu einem gemütlichen Schäferwagen umgebaut. Bei sonnigem Wetter verweile ich wiederum am liebsten unter der weit ausladenden Krone unseres Kirschbaums.

Es gibt viele Vorurteile über die Sachsen. Welche ärgern Sie persönlich am meisten?

Da ich in allen Bundesländern, aber auch im Ausland, unterwegs war und bin, gebe ich auf Vorurteile gar nichts. Ich lerne überall Menschen kennen, die offen und großzügig sind und natürlich auch solche, mit denen ich lieber nicht Tür an Tür wohnen möchte. An einer Gegend kann man das überhaupt nicht festmachen. Solches Gerede geht bei mir zu einem Ohr hinein, zum anderen hinaus, ohne dass ich mich ärgere.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten für unser Land, welcher wäre das?

Freu dich an deiner Vielfalt!

Letzte Frage: Wenn Sie ein (Kinder-)Lied über Sachsen komponieren dürften, welchen Titel würde es tragen?

„Sing, mei Sachse, sing!“ Ach nein, zu dumm, das gibt’s ja leider schon...

 

Herr Schöne, vielen Dank für das Gespräch!