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Museum der Woche

Glasmuseum Weißwasser

Oberlausitz
Foto: René E. Pech

Die kunstvolle Transparenz der Materie

Aus riesigen Schornsteinen flutet unaufhörlich dunkler Qualm. Eine Dunstglocke hängt über der Stadt. Stahlräder kommen quietschend auf den Schienen zum Stehen. Waggonladungen mit Braunkohle, Holz, Ton und Sand ergießen sich in Hallen aus Ziegelstein.

 

Im Inneren der Fabriken malocht und schwitzte es. Hungrige Öfen erzeugen höllische Temperaturen, bringen Sand, Soda, Kalk, Pottasche und Bleimennige zum Schmelzen. Es kocht und brodelt. Müde Knochen schaufeln, schleppen und gießen in Form. Konzentrierte Augen schleifen, gravieren, ätzen. Aus zischendem Dampfen geht das Erschaffende hervor – Glas.

Ein kostbares, gläsernes Funkeln auf schwielig, dreckigen Händen.

So oder ähnlich hat es ausgesehen zur Boomzeit der Glasindustrie Ende des 19. Jahrhunderts in Weißwasser. 150 Jahre umfasst die Lausitzer Glasgeschichte und lässt sich in der beeindruckenden Sammlung des Glasmuseums in Weißwasser nachvollziehen.

Christine Lehmann ist Leiterin des Museums und erklärt:

„Sachsen ist berühmt für seine Industriegeschichte, aber kaum jemandem würde dabei die Glasindustriegeschichte als erstes einfallen. Dabei gab es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Lausitz und im Speziellen in Weißwasser eine unglaubliche Dichte an Glashütten. In Weißwasser allein gab es elf Glaswerke. Damit gehörte es um 1919 zu den größten Glas produzierenden Standorten der Welt.“

Vor der gläsernen Leichtigkeit kommt ein mühsames Tun

Glas – das ist Glasproduktion und Glasproduktion, das sind Menschen, Handwerk und Design. Und zusammengenommen ergibt all dies eine untrennbare Verbindung zur Stadtgeschichte von Weißwasser. Glas herstellen, heißt Glas machen. Ein Zusammenspiel aus Physik, Chemie und Gefühl. Ohne Erfahrung geht es nicht! Aufwändige, kunstfertige Handgriffe wurden und werden über Jahre geschult, wodurch die manuelle Glasherstellung mittlerweile zum immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO zählt.

 

Foto: René E. Pech

Es köchelt im Topf. Von den Rohstoffen bis zum fertigen Werkstoff „Glas“ können Museumsbesucher die einzelnen Produktionsschritte erfahren. Es hat was von Suppenküche, denn je nach Glasart braucht es ein spezielles Mischverhältnis der Stoffe. Kurzum: Jeder Glasart ihre Prise Besonderheit.

Nach der Materie kommt die Form. Eine originale Kelchwerkstelle und einen Glasschleifplatz gibt es zu bestaunen. Zangen und hölzerne Formen, Halteapparaturen – alles, was es braucht, um Glas zu formen oder zu veredeln.

Glasdesign in Perfektion

Wagenfeld war hier! Hier in Weißwasser.

In Bezug auf Design und industrielle Fertigung ein Maßstäbe setzender Ausnahmekönner, zeitloser Klassiker und pragmatischer Idealist.

„Die wohl überregional bedeutendste Sammlung des Glasmuseums Weißwasser ist die des Gestalters Wilhelm Wagenfeld.“ Hebt Leiterin Christine Lehmann hervor. „Wagenfeld war von 1919-1923 Schüler am Bauhaus in Weimar und entwickelte dort die berühmte Leuchte WG 24. Nach einer Anstellung bei Schott in Jena kam er 1935 nach Weißwasser und prägte hier zehn Jahre lang als künstlerischer Leiter die Produktlinie der Vereinigten Lausitzer Glaswerke (VLG).“

Aus Glas geformte Bauhausideale sind in Weißwasser entstanden. Zeitlos im Design. Zeitlos in Idee und Haltung.

Die Wagenfeld’schen Kelchglasserien „Oberweimar“ und „Lobenstein“ sind Meilensteine industriellen Produktdesigns. Bei Wagenfeld spiegelt sich die Beziehung zwischen Menschen und Dingen wieder – beide umgeben und beeinflussen sich wechselseitig. „Brauchbar sein heisst auch schön sein, denn alles brauchen muss schön sein können […].“ Hat er einst gesagt und war der Ansicht, dass Design und Kunst nicht für die Galerie, sondern für den täglichen Gebrauch geschaffen werden sollte. Weshalb Wagenfeld die Sprache der Form direkt aus der Funktion der Gegenstände ableitete. Ein Beispiel dafür ist das Kühlschrankgeschirr „Kubus“ in seiner perfektionierten Schlichtheit. Bei seinem Anblick wird aus einem gedankenlosen Kühlschrank auf, Kühlschrank zu, ein „Verweile doch! Du bist so schön!“.

Foto: René E. Pech

Gläserne Vielseitigkeit

Im Glas bricht sich Leben, spiegelt sich Alltag. Vom Besonderen zum Profanen. Kostbares Diatretglas und das elegante Jugendstilglas „Arsall“ sind genauso Teil der Ausstellung wie Einweckgläser, Flaschen und Gärballons.

Die Forschung am Werkstoff Glas. Ein weiteres Spektrum in der Geschichte der Lausitzer Glasindustrie. Im Osram-Glaswerk wurden unter anderem Sender- und Leuchtröhren hergestellt. Hier bildete Glas die Grundlage für komplexe technische Systeme, kam in Elektronik, Licht- und Elektrotechnik zum Einsatz

 

Glas! – Weil es fast überall ist, ist es so besonders. In Weißwasser werden alle Facetten dieses beeindruckenden Werkstoffes gezeigt. Und wenn man so will, ist das Glasmuseum ein Prisma der Lausitzer Glasgeschichte, bei dessen Besuch sich Licht in Freude zerstreut.