Mit Webspitze zur Weltspitze: die „Fabrik der Fäden“ in Plauen
Das ist Spitze! - im wahrsten Sinne, denn in der Erlebniswelt „Fabrik der Fäden“ im Vogtländischen Plauen dreht sich alles um den weltbekannten Exportschlager, die Plauener Spitze - und um sehr viel mehr. Eine hochmoderne multimediale Ausstellung im ehrwürdigen „Weisbachschen Haus“, einem der besterhaltenen und ältesten Barock-Manufakturgebäude in Deutschland, lässt hier seit der Eröffnung im November 2023 die Geschichte der Vogtländischen Textilindustrie lebendig werden.
Doch wer bei Textilgeschichte ausschließlich an ratternde Webstühle und summende Spulen denkt, irrt. Die gibt es hier – auch. Vor allem aber können Besucherinnen und Besucher in der interaktiven Ausstellung die Brücke zwischen Historie und Gegenwart überschreiten. Und dies im wahrsten Sinne, denn mit dem Weisbachschen Haus hat die „Fabrik der Fäden“ ihre Heimat nicht nur in einem sehr traditionsreichen Ambiente gefunden, sondern das traditionsreiche Fabrikgebäude wird dank hochmoderner Designelemente wie der beeindruckenden Glasfassade zum absoluten Hingucker. „Ein architektonisches Juwel, das jüngst sogar für den Sächsischen Staatspreis für Baukultur nominiert war“, schwärmt Museumsdirektor Sebastian Dressel. Und er weiß noch mehr über den Museumsort zu berichten: „Das Weisbachsche Haus wurde 1777 errichtet und beherbergte einst eine Kattundruckerei. Über die Jahre wurde es für die Baumwollspinnerei, die Zwirnerei-, Spulerei- und Stickerei-Industrie genutzt. Heute ist es ein wesentlicher Teil des industriekulturellen Erbes der Stadt Plauen, und wir sind sehr stolz darauf, dass hier nicht nur unsere interaktive Ausstellung, sondern auch das Deutsche Zentrum für Spitze und Stickerei ein Zuhause gefunden hat.“ Mit ihren 1.200 m² Ausstellungsfläche zähle die „Fabrik der Fäden“ nunmehr zu den wichtigsten Spezialmuseen in Deutschland und Europa.
Sebastian Dressels persönliche Ausstellungshighlights? „Der Raum der Fäden – ein Raum, ausgestattet mit über 8.000 Fäden und bestückt mit technischen Textilien, und unser Stadtmodell von 1928, ein absoluter Publikumsmagnet, an dem sich die Besucher gefühlt Stunden aufhalten können.“
Hommage an die Plauener Spitze
Vor allem aber ist die „Fabrik der Fäden“ eine Hommage an Plauens wohl berühmtesten Exportschlager: die Plauener Spitze. Das textile Markenzeichen der Stadt wird in der Erlebniswelt in einem eigenen Raum präsentiert. Verschiedene Modelle, angefangen bei den luftigen Kleidern und Accessoires aus der Zeit der Jahrhundertwende bis zum Hochzeitsmini aus den 1970er Jahren, setzen die Plauener Spitze effektvoll in Szene.
Vom einstigen Siegeszug der Plauener Spitze auf den Laufstegen der Modewelt zeugt ein ganz besonderes Schmuckstück: eine Replikation jenes extravaganten Spitzenkleides, das zur Weltausstellung im Jahr 1900 in Paris vorgestellt und mit einer Goldmedaille prämiert wurde und damit das Goldene Zeitalter der Plauener Stickerei- und Spitzenproduktion einläutete. Damit rangierte das tüllbestickte Kleid im Übrigen in einer Linie mit bahnbrechenden Erfindungen wie dem Dieselmotor und dem Telegraphon des dänischen Erfinders Valdemar Poulsen, die in Paris ebenfalls mit einer Goldmedaille ausgezeichnet wurden. Vom filigranen Traum in Spitze existieren heute nur noch unscharfe Fotografien, allerdings ist es den Gestaltern des estnischen Büros Koko gelungen, es als „Ghost Dress“ in der Ausstellung wiederauferstehen zu lassen.
Doch auch noch nicht ganz so bekannte Geschichten werden in der „Fabrik der Fäden“ erzählt. Zum Beispiel, dass die Textilindustrie Plauen einst zur Großstadt machte, in der zeitweise die meisten Goldmarkmillionäre innerhalb Deutschlands lebten. Oder, dass viele namhafte Unternehmer, beispielsweise Solomon Guggenheim, hier lebten und wirkten. Und, dass in Plauen die erste Bobinet-Tüll-Webmaschine zum Einsatz kam. Erfunden hatte sie 1808 mit John Heathcoat zwar ein Engländer, aber der orientierte sich dabei an der Kunst des Klöppelns, wie sie im Erzgebirge und dem Vogtland zu der Zeit praktiziert wurde. Das Bahnbrechende daran: Tüll, wie er in der Textilproduktion benötigt wurde, ließ sich mit der Bobinet-Tüll-Maschine um ein Vielfaches schneller und günstiger produzieren. Bis heute wird sie in fast unveränderter Form für die Herstellung von echtem Tüll, Gardine und Spitze, aber auch von Perücken und anderen technischen Textilien verwendet.
Jede Menge Wissenswertes also zu entdecken in der „Fabrik der Fäden“! Mehr Informationen unter www.fabrik-der-faeden.de.
Fotos: Chris Gonz