Interview mit Matej Zieschwauck
Matej Zieschwauck kennt die Strecke zwischen Bautzen und Leipzig wie kaum ein zweiter. Mehrmals wöchentlich fährt er zwischen der heimatlichen Stadt der Türme im Herzen der Oberlausitz und der quietschlebendigen Großstadt im Nordwesten Sachsens hin und her. Nicht etwa, weil er ein fanatischer Autonarr oder Kilometersammler wäre, nein. Sein Beruf – oder in seinem Fall: seine Berufung sowie seine tiefen Leidenschaften – lassen ihn zwischen beiden Polen hin- und herfliegen. Der studierte Sprachwissenschaftler fotografiert, recherchiert, moderiert und musiziert. All das mit mitreißendem Engagement und stets mit einem Lächeln. Neben all seinen beruflichen Betätigungsfeldern sieht und versteht sich der junge Mann, der ab 1987 in einem beschaulichen Dorf nahe Bautzen aufwuchs, als Sorbe. Für die Erhaltung der Kultur und Traditionen des sorbischen Volkes setzt er sich seit frühester Jugend hochmotiviert ein. Bemerkenswerter noch, er entwickelt tradierte Elemente mit unterschiedlichsten Stilmitteln weiter und hüllt altbekanntes in neue, moderne Gewänder.
Wir haben uns mit Matej getroffen und über sein Schaffen und ein ihm besonders am Herzen liegendes Projekt gesprochen.
Hi Matej … oder besser „Dobry dźeń Matej“, wenn man sich Dein Tun so anschaut stellt man fest, dass Du gleich in mehreren Betätigungsfeldern unterwegs bist. Moderator und Redakteur beim MDR, insbesondere im Sorbischen Programm des Senders, Texter, Komponist und Sänger beim sorbischsprachigen Bandprojekt Skupina Astronawt und obendrein noch Fotograf. Woher ziehst Du die Kraft und Motivation für all das?
Matej: Ich habe einfach wahnsinnig viel Spaß an all diesen Sachen, ich bin sehr interessiert und neugierig und das bewegt mich. Ich erlebe jeden Tag neue Sachen und das ist das tolle an meinem Beruf und an meinen Hobbies: es wird einfach nie langweilig. Und ich freue mich jeden Tag auf neue Herausforderungen. Ob redaktionell, fotografisch oder musikalisch.
Sorbe, Sachse, Kosmopolit. Wie würdest Du Dich selbst beschreiben bzw. bezeichnen und welche Rolle spielt dies in deinem beruflichen aber auch privaten Alltag?
Matej: Ich würde mich als einen Menschen beschreiben, der sich über viele Dinge freut. Ich bin dankbar, dass ich als Sorbe zweisprachig aufgewachsen bin in Sachsen. Das ist eine Besonderheit und das schätze ich sehr. Wo immer ich auch bin: ich sage gerne, das ich neben der deutschen Muttersprache noch eine andere Sprache spreche. Das ist oftmals auch wie so ein „Eisbrecher“ – auf einmal hören alle zu und wollen mehr darüber erfahren.
Du hast um 2019, im Rahmen des Ausstellungsprojekts „Sorbian Street Style“ am Sorbischen Museum Bautzen, begonnen Dich mit sorbischen Trachten zu beschäftigen. Wie kam es dazu und kannst Du kurz beschreiben worum es bei dem Projekt ging?
Matej: Das Sorbische Museum in meiner Heimatstadt Bautzen hat angefragt, ob ich Kollektionen von Designern fotografieren könnte. Dann habe ich mir meine Models ausgesucht und dann ging es los. Es waren anfangs eher weniger die Trachten, sondern allgemein sorbische oder slawische Symbole, auf die wir aufmerksam machen wollten. Wie kann ich mich als Sorbe oder Sorbin auch im Alltag zeigen? Das reizt mich sehr und das verfolge ich bis heute.
Daraus entstand Dein preisgekröntes Kunstprojekt „#STUDIJOLIPSK“. Großformatige Portraitaufnahmen junger Sorbinnen in traditionellen sorbischen Trachten aber auch in Crossover-mäßige Neuinterpretationen. Fotografiert wie für die Titelseiten großer Modemagazine à la Vogue, Elle oder Cosmopolitan gedacht und überdies noch kunstvoll bemalt. Wie kam es zu dem ungewöhnlichen Projekt, was bedeutet der Name STUDIJOLIPSK und wie war bzw. ist die Resonanz innerhalb der sorbischen Gemeinschaft?
Matej: Ich provoziere gerne. Und mein Projekt ermöglicht mir, dass Leute über eine Sache reden: sorbische Tracht. Darf man die traditionelle Tracht für so einProjekt benutzen? Ja, denn ich verwende Elemente sorbischer Trachten. Wie können wir diese im Alltag zeigen? Einfach, indem man sich traut und es macht. Es gibt keine geschriebenen Gesetze, die ich breche. Ich möchte, dass die Leute stolz sind auf ihre Sprache, auf ihre Kultur und ihre Identität. Durch mein Projekt verbinde ich all diese sachen: man sieht sofort, dass es etwas Anderes ist. Man sieht sofort, dass es sich um eine Nische handelt, welche ich bediene. Das finde ich sehr spannend und deshalb habe ich auch noch viele andere Motive im Kopf, welche ich gern umsetzen möchte. Dass meine Fotografien aussehen wie Titelseiten großer Modemagazine ehrt mich sehr, das nehme ich als großes Kompliment an. Mein Projekt heiß STUDIJOLIPSK; weil ich seit 2006 in Leipzig bin und dort meine kreative Quelle liegt. Lipsk ist das sorbische Wort für Leipzig. Denn Leipzig kommt von Lipa, was im deutschen „Linde“ bedeutet.
Da Du gleich wieder losmusst, letzte Frage. Was planst Du als nächstes? Musikalisch, fotografisch, journalistisch?
Matej: Neue Musik, neue Musikvideos und vielleicht klappt es mal, ein ganzes Album aufzunehmen. Ideen und Songs gibt es genug. Ich möchte weiterhin auf die Besonderheit im Sorbischen zeigen – ich plane in Zukunft auch Installationen, die ich fotografisch begleiten möchte. Dass ich jeden Tag Neues weitergeben kann und informieren kann über alles, was in der sorbischen Welt so passiert.