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Eine TRACHT Heimat.

Eine modische Liebeserklärung ans Erzgebirge

Erzgebirge

Modedesignerin Anke Ott

Handgemachte Mode und Design aus dem Erzgebirge – das steckt hinter mydearlove. Und ganz viel Herzblut und Modebegeisterung von Anke Ott, dem kreativen Kopf hinter dem Modelabel aus dem beschaulichen Aue. 2009 hat die Diplom-Modedesignerin und ausgebildete Modenäherin ihre Leidenschaft für liebevoll Maßgeschneidertes zum Beruf gemacht und gemeinsam mit ihrer Kollegin Monique Baumann das Label mydearlove als GbR gegründet. Seit 2017 wird das Unternehmen von ihr allein geführt. Für Medienwirbel sorgte Anke Ott 2022, als sie anlässlich des Tages der Sachsen in Aue-Bad Schlema für dessen offizielle Symbolfiguren – das Bademädchen und der Blaufarbenwerker – die Tracht des Bademädchens designen durfte. Und bei der Gelegenheit eine jahrhundertealte Tradition der Region auf charmante Art und Weise wiederaufleben ließ.

Blaufarbenwerker und Bademädchen, Symbolfiguren des „Tages der Sachsen“ in Aue-Bad Schlema | Foto: Dirk Rückschloß

Anke, was hat es mit dem Bademädchen und dem Blaufarbenwerker auf sich?

Das Bad Schlemaer Bademädchen symbolisiert die alte Kurbadtradition. Früher waren die Badefrauen das Symbol des Kurortes Schlema. Die Mädchen arbeiteten damals im Radiumbad Oberschlema im Kurhaus an der Radiumwasserausgabe. Der Blaufarbenwerker steht für die historische Verbindung zwischen Aue und Bad Schlema sowie das gesamte Erzgebirge. Kobalt, aus dem die blaue Farbe hergestellt wurde, wurde damals nämlich in fast allen erzgebirgischen Bergrevieren gefunden. In Pfannenstiel, im heutigen Ortsgebiet von Aue, gründete Veit Hans Schnorr 1635 das erste Blaufarbenwerk Sachsens, die heutige Nickelhütte. Ab 1644 gab es ein Farbenwerk in Oberschlema.

Wodurch hat sich die Tracht des Bademädchens einst ausgezeichnet?

Bad Schlema war ein bedeutender Kurort und bekannt für seine Radonbäder. Die Bademeisterinnen gehörten hier zum medizinischen Personal und waren zuständig für die therapeutischen Anwendungen. Ihre Kleidung sollte Vertrauen und Sauberkeit ausstrahlen, und gleichzeitig war sie an die Anforderungen des täglichen Arbeitens in einem feuchten und häufig kalten Umfeld angepasst. Im Grunde war sie wenig modisch und in hellen Farben wie Weiß, Hellgrau oder Creme gehalten. Das auffälligste Merkmal war die Schürze, die über der Kleidung getragen wurde. Sie diente dazu, die Kleidung sauber zu halten, da die Bademeisterinnen oft bei der Vorbereitung von Bädern halfen, Wasser trugen oder medizinische Utensilien handhabten. Es handelte sich also um eine Art Arbeitskleidung, die zum Erscheinungsbild der Kuranstalten dazugehörte.

Hast Du Dich beim Design an den historischen Vorbildern orientiert oder gab es einen gewissen – sagen wir – kreativen Spielraum?

Das habe ich, aber speziell das Kleid zum Tag der Sachsen habe ich neu interpretiert. Die Tracht ist repräsentativer und nicht ganz so funktional wie früher. Dehnbare Materialien sorgen für die notwendige Bewegungsfreiheit. Und die traditionelle Schürze bekam ein neues Aussehen und wirkt damit frischer und moderner.

Spielen Trachten und andere historische Vorbilder auch sonst eine Rolle in Deiner Kollektion?

Mein Label mydearlove spielt schon immer ganz bewusst mit eigenen Kindheitserinnerungen - und sei es nur die alte Cordhose aus Kindheitstagen. Auch meine Heimat, das Erzgebirge, inspiriert mich sehr. Deshalb ist für das Label der Begriff „Streetfolklore“ prägend.

mydearlov-Sommerkollektion 2014
Hochzeitskleid von mydearlove, Foto: Isbaell Fischer

Wofür steht mydearlove? Wie würdest Du Deine Mode am besten beschreiben?

Das Label steht für Individualität und Handwerkskunst, mit starkem Fokus auf der lokalen Produktion und fernab jeglicher Massenproduktion. Auch mein Team aus selbstständigen Schneiderinnen kommt aus der Region und setzt Kundenaufträge mit viel Herzblut um. Das Design, die Schnittkonstruktion und Prototypenentwicklung, sowie die Produktpräsentation liegt in meiner Hand. Die Mode reicht von Boho-inspirierten Hochzeitskleidern bis zu legeren Streetwear-Stücken und besonderen Prints. Auch unsere Kinderkollektion liegt mir sehr am Herzen, besonders seit der Geburt unseres kleinen Sohnes im vergangenen Jahr.

Und wer zählt zu Deinen Kunden?

Frauen, die individuelle Kleidung schätzen, die sich von der Masse abhebt. Frauen, die Wert auf Mode legen, die sich nicht nur an Trends orientiert, sondern ihre Persönlichkeit unterstreichen. Meine Kundinnen interessieren sich für die Geschichte hinter den Produkten und schätzen die Hochwertigkeit und die lokale Produktion.

mydearlove-Sommerkollektion 2013
mydearlove-Winterkollektion 2016/2017

Noch einmal zurück zum Thema Tracht und der Tradition des Bademädchens und des Blaufarbenwerkers? Haben Trachten Deiner Meinung nach das Zeug zum Trend?

Ich weiß nicht, ob man in dem Bezug von Trends sprechen kann. Aber Details von früher haben für mich immer eine Relevanz. Es gibt Schnitte, Muster, Farben, die setzen sich durch, die sind beständig und werden damit zum Klassiker. In diesem Fall können sie auch zum Trend zu werden. Für mich ist allerdings viel wichtiger, nicht jedem Trend hinterher zu laufen. Ich möchte Mode erschaffen, die langlebig ist und nicht nach einer Saison wieder aus dem Kleiderschrank verschwindet. Hier liegt meiner Meinung nach auch die Verantwortung des Designers.

Wie kann man historische Vorbilder wie diese auch jungen Menschen nahebringen?

Man muss in ihnen ein Gefühl für Tradition und Stilentwicklung wecken, ihnen eigene Erfahrungen verschaffen, beispielsweise in Workshops zur Textilverarbeitung, in denen historische Techniken vermittelt werden, oder bei Upcycling-Projekten, bei denen alte Kleidungsstücke aufgewertet und neu kreiert werden. Auch Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema für viele junge Menschen. Historische Mode ist extrem nachhaltig, weil langlebig und von Generation zu Generation weitergegeben. Davon können wir viel lernen; es ist eine Alternative zur heutigen Fast Fashion.

Kinderkollektion von mydearlove

Trachtenmode empfinden viele als etwas Gestriges, das in die Vergangenheit gehört. Siehst Du das auch so?

Überhaupt nicht. Trachtenmode ist für mich kein Relikt der Vergangenheit, sondern eine lebendige Tradition, die beständig neu interpretiert und modernisiert werden kann. Sie vereint Kultur, Nachhaltigkeit, Handwerkskunst und Individualität in einer Weise, die in der heutigen Modewelt besonders relevant ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

Titelbild: Anke Ott vom Modelabel mydearlove, Foto: Isabell Fischer