Chemnitz – Aus dem achten Stockwerk des Bürogebäudes in Chemnitz hat man einen weiten Blick auf die Autobahn A4. Noch werden die dahinrauschenden Fahrzeuge von Menschen gesteuert, die mit ihrem Gehirn die richtigen Befehle für die Hände am Steuer oder dem Fuß am Gaspedal geben. Doch Karsten Schulze, Geschäftsführer und Mitgründer des Chemnitzer Entwicklungsunternehmens FDTech GmbH hat eine klare Vorstellung für die automobile Zukunft. »Wir glauben fest an das automatisierte Fahren. Ähnlich wie die Transformation zur Elektromobilität wird es einen Trend zum maschinengeführten Fahren geben“ erklärt Schulze die Vision des Unternehmens, autonomes Fahren für jeden, überall und jederzeit möglich zu machen.
Mit diesem Ziel hatten sich fünf Ingenieure mit langjähriger Erfahrung in der Automobilindustrie zusammengetan und FDTech gegründet. »Wir hatten das Gefühl, außerhalb von Konzernstrukturen schneller und flexibler unsere Entwicklungen vorantreiben zu können«, erklärt der FDTech-Geschäftsführer. Das Wettbewerbsumfeld würde eine höhere Entwicklungsgeschwindigkeit erfordern. Die vergangenen sechs Jahre hätten gezeigt, dass es die richtige Entscheidung war. »Trotz der Widrigkeiten in der Automobilbranche sind wir stabil und haben gut Fuß fassen können«, versichert Schulze. Das Unternehmen ist inzwischen auf rund 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewachsen. Der Großteil arbeitet in Chemnitz, die Standorte in München und Wolfsburg sind jeweils mit zwölf Beschäftigten besetzt.
Die Aufgabe des FDTech-Teams ist komplex. Es muss eine Softwarekette zwischen den Sensoren, die die Umgebung des Fahrzeugs erfassen, und dem möglichen Aktor, zum Beispiel den Bremsen oder dem Fahrwerk, geschaffen werden, damit das Auto die richtigen Entscheidungen fällt. Es gibt viele Faktoren, die berücksichtigt werden müssen, von der Situationsanalyse des Verkehrs über die Fahrstrategie, bis hin zur Kommunikation mit anderen Mobilitätsobjekten, vom Fußgänger bis zum Lastkraftwagen. Am Ende muss das Auto eine Entscheidung treffen. »Das ist, was wir uns algorithmisch zum Ziel gesetzt haben«, sagt Schulze. Schwerpunktkunde für die Softwarelösungen ist der Volkswagenkonzern, der sich mit 49 Prozent an dem Unternehmen beteiligt hat. Hinzu kommen ausgewählte Zulieferer. In diesem Jahr wird ein Umsatz von rund 14,5 Millionen Euro erreicht.
Die anspruchsvolle Aufgabe, an der Mobilität der Zukunft mitzuarbeiten, lockt auch ausländische Fachkräfte an. Bei FDTech sind inzwischen 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 14 Nationen beschäftigt. »Wir haben die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen, um ausländische Mitarbeiter integrieren zu können«, erklärt der FDTech-Chef. Wichtig sei, dass man als Unternehmer ausländische Mitarbeiter bewusst haben will. »Wenn ich es nur mache, weil ich keine deutschen Mitarbeiter mehr finde, fehlt das nötige Mindset«, ist Schulze überzeugt. Er sieht die ausländischen Mitarbeiter als Bereicherung. »Für unser Unternehmen ist es nicht zuletzt auch ein Erfolgsrezept.« Die Firma ist bilingual mit Deutsch und Englisch unterwegs. Zudem, so Schulze, gehe es darum, sich auf den nicht-europäischen Kulturkreis einzustellen und umgekehrt. »Es gibt europäische kulturelle Regeln, die zugewanderte Fachkräfte akzeptieren müssen. Da muss man sehr offen und transparent mit umgehen«, meint der Geschäftsführer. Der Sonderpreis »Fokus X« hat dieses Mal die Themen Integration und Inklusion im Unternehmen im Blick.
Um die Kompetenz im Bereich des automatisierten Fahrens zu bündeln, gehört FDTech zu den Gründern des Firmennetzwerks »Chemnitz Automated Driving Alliance« (CADA). Dort haben sich inzwischen fünf Firmen verbündet, die sich jeweils auf spezielle Lösungsbausteine für das automatisierte Fahren konzentriert haben. »Chemnitz ist ein Hotspot für diese Entwicklungsinhalte« sagt Schulze selbstbewusst. Das Netzwerk sei auch gegründet worden, um für Fachkräfte nicht nur aus dem Ausland attraktiver zu werden. Zudem sind die beteiligten Unternehmen in der Nachwuchsförderung aktiv.
So gestalten FDTech-Mitarbeiter den technischen Profilunterricht der 8. und 9. Klassen am Goethe-Gymnasium Chemnitz. An einer Chemnitzer Oberschule wird das Projekt »Helden des Alltags« begleitet. Dabei kommen jeweils zwei Schüler im 14-tägigen Rhythmus ein halbes Jahr lang jeden Mittwochvormittag für vier Stunden ins Unternehmen. Zudem werden Schüler-Praktikanten betreut und es gibt Qualifizierungsangebote für Lehrkräfte an sächsischen Berufsschulen. »Wir gewähren den Teilnehmern Einblicke in die Strukturen und Abläufe in einem modernen Unternehmen«, erklärt Schulze.
Den Führungsstil beschreibt der Geschäftsführer als ein Kreismodell, in dem von außen nach innen und von innen nach außen kommuniziert wird. »Es gibt ein hohes Maß an Miteinander«, sagt Schulze. Es gehe darum, dass jeder weiß, um welche Ziele es geht, aber die Mitarbeiter sollen auch in die Entscheidungen mit eingebunden sein. »Von einer klassischen Pyramidenhierarchie haben wir uns verabschiedet, wir setzen auf eine pluralistische Unternehmensführung«, so der FDTech-Geschäftsführer.
Der Wirtschaftspreis "Sachsens Unternehmer des Jahres 2024" und der Sonderpreis "Fokus X" sowie der Gründerpreis "Sachsen gründet - Start-up 2024" sind eine Initiative der "Sächsischen Zeitung", der "Freien Presse", der "Leipziger Volkszeitung" und des MDR sowie von VW Sachsen, der Beratungsgesellschaft Schneider + Partner, der LBBW, der Gesundheitskasse AOK Plus und "So geht sächsisch".
Text: Christoph Ulrich
Bild: Uwe Mann