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Sandstein Verlag

Sandstein Verlag

Dresden
In Zusammenarbeit mit

„Bücher werden immer ihren Platz finden.“

Foto: Christine Jäger-Ulbricht

Interview mit Christine Jäger-Ulbricht, Sandstein Verlag Dresden

Frau Jäger-Ulbricht, Sie haben Kunstgeschichte studiert. Was waren Ihre wichtigsten Stationen auf dem Weg zur Verlegerin?
Ich habe 1990 in Jena mein Diplom abgelegt, mitten in der „Wende“. Einige Jahre habe ich dort freiberuflich im Lokaljournalismus und als Werbetexterin gearbeitet, nach einer betriebswirtschaftlichen Weiterbildung meinen eigenen kleinen Verlag gegründet und den bis 2010 als Einzelunternehmerin geführt - mit Titeln zu Kunst und Kultur, aber vor allem zur Lokalgeschichte. Seit meinem Umzug nach Dresden habe ich bei Sandstein im Lektorat gearbeitet und Anfang 2021 die Geschäftsführung übernommen.

Der Sandstein Verlag hat sich auf Kunstbücher und Ausstellungskataloge spezialisiert. Nun waren Museen und Ausstellungen während der Pandemie immer wieder geschlossen. Wie hat sich dies auf Ihre Arbeit ausgewirkt?
Das war ein harter Einschnitt. Wir hatten im Frühjahr 2020 einige Kataloge im Druck, die Bücher waren fertig, die Ausstellungen eröffneten aber nicht. Andere Ausstellungen wurden teils mehrfach verschoben. Manche fielen ganz aus, und die Kataloge wurden gar nicht produziert. Den Museen fehlte jegliche Planungssicherheit. Ausstellungen mit hochkarätigen Kunstwerken und internationalen Leihgaben werden über Jahre akribisch vorbereitet, die können meist nicht einfach verschoben werden. Natürlich hatten wir dadurch große Umsatzverluste. Positiv ist wiederum, dass digitale Besprechungen inzwischen eine Selbstverständlichkeit sind, ob mit weiter entfernt sitzenden Autoren oder mit einer unserer Lektorinnen, die von Mittelamerika aus arbeitet. Und wir haben neue Formate ausprobiert. So produziert eine Kollegin seit 2020 einen Podcast zu aktuellen Kultur-Themen.

Das Aussterben des gedruckten Wortes wird seit Jahren prophezeit. Wie sehen Sie das: Haben Bücher, insbesondere Kunstbücher wie Ihre, eine Zukunft?
Diese Prophezeiungen begleiten mich mein ganzes Berufsleben. Veröffentlichungsmöglichkeiten und Rezeptionsgewohnheiten wandeln sich nun einmal stetig. Forschungsergebnisse werden heute digital und open access publiziert, Museen bedienen verschiedene Vermittlungsformate, um ein heterogenes Publikum zu erreichen. Das ist gut und richtig! Bücher werden dabei immer ihren Platz finden. Eine exzellente Reprografie und eine gute Gestaltung, die eigene Bezüge von Text und Bild schafft, sind digital nicht zu ersetzen. Und gedruckte Bücher gehören durch ihre haptische Qualität – mit Bedacht ausgewähltes Papier, eine sorgfältige Verarbeitung, interessante Details der Veredlung – zu den „schönen Dingen“ mit denen sich viele Menschen gern umgeben.

Der Sandstein Verlag veröffentlicht im Jahr rund 70 Bücher zu Kunst, Geschichte, Kunstgeschichte und Architektur im gesamten deutschsprachigen Raum. Das ist eine bemerkenswerte Zahl. Was treibt Sie an?
Wir dürfen uns mit schönen und interessanten Themen beschäftigen und sind dabei oft mittendrin in aktuellen gesellschaftlichen Diskursen. In diesen Tagen erscheint zum Beispiel ein Band zur amerikanischen Künstlerin Cindy Sherman, die sich in ihren Fotografien mit Mode, Identität und Rollenbildern auseinandersetzt. Sehr spannend und empfehlenswert!

Für welches Museum, welche Ausstellung, würden Sie gern einmal einen Ausstellungskatalog veröffentlichen?
Wir arbeiten gerade an einem Katalog zur Kunst- und Wunderkammer Waldenburg. Solche kleineren, immer noch zu wenig bekannten Häuser, bergen so viele ungehobene Schätze, dazu sollte es mehr Kataloge geben. Und wenn ich ganz unbescheiden sein darf: Einen Katalog für eine Ausstellung im MoMa würden wir auch gern mal produzieren!

Sachsen blickt auf eine lange Kunst- und Kulturgeschichte zurück. Was schätzen Sie an Sachsen, wie bereichern Land und Leute Sie in ihrer verlegerischen Arbeit?
Die Ernsthaftigkeit, mit der diese Geschichte oft als Teil der eigenen kulturellen Identität behandelt wird, beeindruckt mich – und sie bietet viel produktive Reibungsfläche.

Bevor Sie 2010 zum Sandstein Verlag gekommen sind, arbeiteten Sie in Thüringen – mit diesem Blick: Was ist für Sie typisch sächsisch? Wie unterscheiden sich die Sachsen vielleicht auch von ihren Nachbarn?
Ich bin ja in Dresden aufgewachsen und habe die Stadt mit ihrem kulturellen Leben bis 1985 als Jugendliche erlebt und dann wieder nach über 20 Jahren Abwesenheit. Auffällig war für mich damals und ist für mich bis heute die Ambivalenz im Umgang mit Kunst und Kultur. Da sind auf der einen Seite die sehr konservativen Positionen, die einen großen Teil der Kulturrezeption bestimmen und den Blick von außen auf die Stadt prägen. Diese sind nicht selten mit Belehrungen und der Einforderung von „Ehrfurcht“ verbunden. Andererseits gibt eine höchst lebendige und international anerkannte Szene außerhalb dieses konservativen Spektrums. In meiner Wahrnehmung bewegt sich das Publikum dabei viel zu oft in seiner jeweils eigenen Blase, gibt es immer noch zu wenig Austausch und Offenheit für das radikal Andere, das „Fremde“. Aber Dresden ist nicht Sachsen, und die Unterschiede zwischen dem Erzgebirge und der Oberlausitz, zwischen Leipzig und Chemnitz sind doch enorm. Typisch sächsisch – das gibt es meiner Meinung nach nicht.

Abschließend die Frage: Auf welches (unveröffentlichte) Buch aus Sachsen hat die Welt bisher gewartet, und welchen Titel würde es Ihrer Meinung nach tragen?
Eine historisch-kritisch kommentierte Ausgabe von Winnetou I-III.

Sandstein Verlag

Der Sandstein Verlag mit Sitz in Dresden führt ein kunst- und kulturgeschichtliches Programm. Die Schwerpunkte des Verlages sind Kunstbücher

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