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Der Internationale Bergwanderweg der Freundschaft

Der Internationale Bergwanderweg der Freundschaft

ErzgebirgeVogtland
Start an der Wartburg in Thüringen

Wozu in die Ferne schweifen? Das Abenteuer wartet vor der Haustür!

Gastbeitrag und Bilder von Rebecca Maria Salentin

Weitwanderwege erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Spätestens seit dem Kinoerfolg „Wild. Der große Trip“ sind die populärsten "Thruhikes" längst kein Geheimtipp mehr. Was kaum einer weiß: auch Sachsen hat einen Wanderweg der Superlative! Wer schon immer dem Ruf der Wildnis nachkommen wollte, um mutterseelenallein unberührte Natur zu durchwandern und dort zu zelten, wo es Bären und Wölfe gibt, der kann nun seinen Rucksack aufschnallen und beinahe an der Haustür starten. Nachhaltiger und umweltfreundlicher kann Reisen kaum sein. Denn der sagenhafte Weg durchkreuzt auf seiner 2700 Kilometer langen Strecke auch einige der spektakulärsten Landstriche des Freistaates.

Der Internationale Bergwanderweg der Freundschaft von Eisenach nach Budapest

Der Internationale Bergwanderweg von Eisenach nach Budapest - kurz EB - ist 2690 Kilometer lang. Eine Strecke, die bisher offiziell nicht einmal hundert Leute bewältigt haben. Gegründet 1983 war der EB der einzige grenzüberschreitende Fernwanderweg im Sozialismus. Angelegt im Sinne der Völkerverständigung verliehen ihm die Mitgliedsländer DDR, Tschechoslowakei, Polen und Ungarn den Beinamen "Weg der Freundschaft".

Nach der Wende wurde der EB ins Netz Europäischer Fernwanderwege integriert. Wegen der damaligen Grenzübergänge umgeht die originale Wegführung das Riesengebirge und die Hohe Tatra. Dank Schengener Abkommen kann man diese extrem reizvollen Abschnitte nun problemlos begehen.

Der EB ist auch kulturell und historisch spannend. Immer wieder stößt man auf moosbewachsene Bunker, Mahnmale großer Schlachten, preußische Wehranlagen, Holzkirchen mit Zwiebeltürmchen, jüdische Friedhöfe und Synagogen. Dabei zieht sich der EB teils durch populäre, touristisch erschlossene Regionen, verläuft aber meist fern der Zivilisation auf steilen Kammwegen durch knorrige Wälder, stille Moore und über schneebedeckte Berggipfel.

Der deutsche Abschnitt des EB

Ob man ihn nun in Etappen oder am Stück bewältigen will; Dank Regionalverkehr ist ein Einstieg in den EB beinahe überall möglich. Offizieller Start ist an der Wartburg in Eisenach. Unterhalb der Zugbrücke findet sich eine Schautafel, die den einschüchternden Gesamtverlauf darstellt. Aber schon die ersten hundert Kilometer machen es dem Wanderer leicht, denn sie führen über den beliebten Rennsteig.

Die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Wartburg
Die Böhmische Schweiz

Das erste Viertel des EB liegt in Deutschland und alleine 375 Kilometer davon führen durch den Freistaat. Und dieser Abschnitt des geschichtsträchtigen Bergwanderwegs ist sensationell. Plauener Spitze, Seiffener Holzspielzeug, die MiG-21 des Kosmonauten Sigmund Jähn im Raumfahrtmuseum Morgenröthe-Rautenkranz oder erzgebirgische Schnitzkunst: Reichhaltig ist das kulturelle Erbe der Region. Dem Ruf des EB zu folgen, bedeutet aber vor allem, sich ganz der wildromantischen Landschaft hinzugeben. Den Lauf der Weißen Elster prägen Steinbogenbrücken und saftige Flussauen, durch die Reiher, Schwäne und mancher Schwarzstorch staksen. Bäuerliches Leben, sattgrüne Hügellandschaften und monumentale Viadukte bestimmen das Landschaftsbild im Vogtland, sofern es nicht durch tiefe Nadelwälder geht. So manches Mal wandert man auf dem Grenzkamm mit einem Fuß in Tschechien.

Bucklige Obstbaumalleen führen von Tal zu Tal. Die Montanregion Erzgebirge wurde jüngst von der UNESCO zum Welterbe erklärt.  Die dem Bergbau verbundene Lebensart zeigt sich in beinahe jedem Dorf: Schwibbögen und Holzpyramiden sind so allgegenwärtig wie der Gruß „Glück Auf“. Einzig vom Ruf des Kuckucks durchbrochen ist die Stille tief im Wald. Basaltkegel erheben sich düster und schroff im Waldesgrün, uralte Stollen sind längst versiegelt, die Skilifte warten geduldig auf den nächsten Schnee, Postmeilensäulen markieren ein altes Wegenetz. Das Elbsandsteingebirge wiederum - von den Malern der Romantik Sächsische Schweiz getauft -, besticht durch das pittoreske Felsenmeer rötlich schimmernder Gesteinsriffe.

Am markantesten wachen die Festung Königsstein und die Basteibrücke über dem Fluss. Bizarre Felsriffe, Sandsteinnadeln, Raddampfer und klappernde Mühlräder locken jährlich große Scharen von Touristen in den Nationalpark.

Die Rathewalder Mühle in der Sächsischen Schweiz
Schronisko (Berghütte) im polnischen Riesengebirge

Der EB außerhalb von Deutschland

Nach rund 700 Kilometern steigt man hinter der Grenze zu Tschechien zum Prebischtor hinauf und wandert bald durch wilde Schluchten, Dörfer mit Umgebindehäusern und Hochmoore. Über den Kamm des Riesengebirges geht es nach Polen. Glasklare Bäche und eiskalte Quellen laden zur Erfrischung. In den Bergen locken rustikale Katen zur Einkehr. Grobe Schinkenwürste baumeln von der Decke, an den Wänden Bärenfelle. Aus den Kaminen steigt Rauch. Das dampfende Essen wird in angeschlagenen Emaille-Eimerchen serviert: Bigos, Borschtsch, Gulasch, Halušky

In der Malá Fatra gerät so mancher Aufstieg zur Kletterpartie. Am Fuß der schneebedeckten Hohen Tatra räuchern Hirten würzigen Käse, während die Glöckchen ihrer Schafherden die Täler mit ihrem silbrigen Klang erfüllen. Die Zeit scheint stehen geblieben: Pferde ackern im Forst, Hütehunde bewachen Hof und Grund, Wasser wird aus Brunnen geschöpft.

Die Malá Fatra, ein 55 Kilometer langes Gebirge im Nordwestteil der Slowakei
Das Tatra Gebirge

In den Beskiden kämpft man sich durch hüfthohes Gras, Brennnesseln, Schafgarbe, Johanniskraut und wilde Minze. Ruinen, Ikonen und schmiedeeiserne Kreuze zeugen von der byzantisch-orthodoxen Frömmigkeit der einstigen Bevölkerung. Im slowakischen Herlany steht man vor einem meterhoch sprudelnden Geysir. Jahrhundertealte Thermalbäder vergönnen immer wieder Erholung.

In Ungarn führt der EB als Kéktúra durch Buchenwälder, Sonnenblumenfelder, Dörfer und Romasiedlungen, wo das Leben lautstark im Freien stattfindet. Vorbei an Laubenganghäusern, Burgruinen und den gigantischen Höhlen des Aggteleker Karsts gelangt man über Weinberge schließlich bis ans Donauknie.

Ein Forsthaus in Ungarn
Autorin Rebecca Maria Salentin kurz vor dem Ziel

Reiseinformationen

Die beste Reisezeit ist zwischen März und Oktober. Hilfreich sind die sieben Wanderführer von Martin Simon. Es empfiehlt sich, den Streckenverlauf zusätzlich als Offline-Karte ins Handy zu laden. Wildzelten ist offiziell nur in Ungarn erlaubt. Die Etappen in den Wanderführern sind so gestaltet, dass man jeden Abend in einer Unterkunft landet.

 

Über die Autorin

Rebecca Maria Salentin lebt als freie Autorin in Leipzig, wo sie 2009 das Sommercafé ZierlichManierlich eröffnete. Sie ist die 13. Person, die den EB als Thruhike absolviert hat. Mehr über die Autorin erfährt man auf ihrer Webseite und auf Facebook.

Stempelheft und umfassende Tipps gibt es hier

Bert Winkler

Ausführliche Wegbeschreibungen hier

fernwege.de