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Kurzzeitläden erobern den ländlichen Raum

„Hereinspaziert!“- Kurzzeitläden erobern den ländlichen Raum

Erzgebirge

Die Zeit der guten alten „Tante Emma“-Läden ist vorbei? Weit gefehlt! Nur heißt die „Emma“ von damals heute „Josephine und Nadja“ und will mit ihrer Idee der „Kurzzeitläden“ dem geliebten „Lebensmittelpunkt“ von damals neues Leben einhauchen. Los geht es am Sonntag, 12. September, mit dem Pilotprojekt in Wolkenstein „Hereinspaziert! …in unseren Kurzzeitladen“. Idee und Umsetzung stammen von Nadja Hecker und Josephine Leonhardt-Dietrich, die dafür mit dem „So geht sächsisch.“-Preis #JetztLokalHandeln ausgezeichnet wurde.

Frau Leonhardt-Dietrich, Sie und Ihre Kollegin Nadja Hecker haben sich unter dem Motto „Hereinspaziert!“ mit Ihrem Konzept der „Kurzzeitläden“ beim „So geht sächsisch.“-Preis #JetztLokalHandeln beworben – mit Erfolg. Ihre Idee hat es unter die 50 besten im Freistaat geschafft. Herzlichen Glückwunsch! Nun sind Kurzzeitläden, Pop-up Stores etc. nicht so ganz neu, im ländlichen Raum allerdings schon.

Wie kam es zu dieser Idee?

„Wir sind immer noch ganz überwältigt und freuen uns riesig über die Auszeichnung und die Unterstützung von „So geht sächsisch.“ Schon seit Ende 2019 hatten wir beide das Bedürfnis, unseren ländlich gelegenen Innenstädten und Ortszentren neues Leben einzuhauchen. Wir kennen uns durch den Verein „Kreatives Erzgebirge“ und wissen, dass es viele verborgene und zum Teil unbekannte Talente an Machern, Tüftlern, Künstlern und Erzeugern in unserer weitläufigen Region gibt. Und dazu eben viele leerstehende Geschäfte und Gewerberäume. Das wollten wir ändern und möchten nun diese Parteien zusammenbringen.

Das Pilotprojekt startet am 12. September in Wolkenstein.

Warum genau hier?

„Bei einem Besuch in Wolkenstein zum Stammtisch von „Kreatives Erzgebirge“ hatte Bürgermeister Wolfram Liebing vom Problem der aussterbenden Innenstädte gesprochen. Wir kamen mit ihm ins Gespräch, und er nahm unsere Projektidee freudestrahlend auf und hat uns direkt seine Unterstützung zugesichert.  Wolkenstein ist auch deshalb ideal, da es touristisch sehr beliebt ist und der Stadtkern rund um das Rathaus, den Marktplatz und das Schloss in wenigen Minuten fußläufig erreichbar ist. Es lädt quasi zum Schlendern, Einkehren und Einkaufen ein.“

An wen richtet sich das Angebot des Wolkensteiner Kurzzeitladens im historischen Fleischerladen?

„Unsere Idee richtet sich an Kunsthandwerker und Künstler, die ihre Produkte und Kunstwerke einzeln oder auch als Kollektiv regional präsentieren und verkaufen möchten. Kleine Manufakturen können ihre Produkte über eine Kurzzeitmiete flexibel anbieten oder testweise einen möglichen festen Standort ausprobieren. Wichtig sind uns für alle Parteien eine flexible Nutzung, die planbare Verfügbarkeit der Mietobjekte in einem überschaubaren Zeitraum und, dass der Vermieter den Leerstand beseitigt und wieder Einnahmen zur Erhaltung des Objektes erzielt.“

Wie muss man sich einen Kurzzeitladen vorstellen? Ist es der klassische Tante-Emma-Laden oder eher eine Ausstellungsfläche? Was steht im Warenregal?

„Es kann beides sein. Das Schöne an unserem Konzept ist die freie Gestaltungsmöglichkeit. Natürlich ist nicht jedes Geschäft für jeden geeignet. Gerade in Wolkenstein sind die Objekte zum Teil denkmalgeschützt, und es darf baulich nichts verändert werden – auch kein Nagel in der Wand. Die Kunstwerke und regionalen Produkte stehen in Regalen, auf Tischen, Stühlen und Kommoden. Hier muss jeder kreativ werden. Künftig soll es eine Online-Plattform geben, wo sich jeder eigenständig die Ladengeschäfte und Gewerberäume ansehen und sich über einen individuellen Zeitraum einmieten kann.“

Wie viel Vorlauf brauchte das Pilotprojekt in Wolkenstein?

„Es reifte seit Anfang des Jahres in unseren Köpfen. Mit der Umsetzung haben wir tatsächlich erst Mitte Juli begonnen. Das war durch die Ferien- und Urlaubszeit ziemlich sportlich. Aber wir haben es geschafft.“

Wie finanziert es sich?

„In erster Linie mit ganz viel Eigeninitiative. Das Thema liegt uns einfach am Herzen. Das Preisgeld von #JetztLokalHandeln hilft uns natürlich sehr das bevorstehende Event publik zu machen und in Werbematerial zu investieren.“

Wie nehmen regionale Produzenten und Unternehmer Ihr neues Modell an? Haben Sie hier bereits Erfahrung?

„Worüber wir uns am meisten gefreut haben, ist die Zustimmung der Hausbesitzer und Vermieter vor Ort in Wolkenstein. Alle waren aufgeschlossen und haben direkt beim ersten persönlichen Besichtigungstermin vor Ort unserem Pilotprojekt am 12. September zugestimmt. Mit unseren Kontakten und dem großen Netzwerk von „Kreatives Erzgebirge“ und dem Landesverband „Kreatives Sachsen“ nahm unsere Projektidee schnell Fahrt auf. So haben wir schnell teilnehmende Künstler, Produzenten und Verkäufer gefunden. Der Zuspruch ist da, und jetzt schauen wir wie es anläuft.“

Wie schätzen Sie die Erfolgsaussichten der Kurzzeitläden im ländlichen Raum ein – welche Vorteile bieten diese Ihrer Meinung nach im Vergleich zum urbanen Umfeld?

„Wir haben große Hoffnung, dass unsere Idee positiv aufgenommen wird und schnell Befürworter und Umsetzer findet. Wir sind der Meinung, dass es im ländlichen Raum mehr um Gemeinschaftlichkeit und Regionalität geht. Wenn es die Räumlichkeiten hergeben, können diese ebenso für Workshops oder von Vereinen zur Kurzzeitmiete genutzt werden. Pop-Up-Stores in Großstädten sollen zum Konsum verführen. Wir hingegen sehen unsere Kurzzeitläden als integratives und interaktives Projekt, das Menschen zusammenbringt, die Regionalität stärkt und zum Beispiel auch Touristen einen Teil unserer Kultur vermittelt.“

Ist das Modell des Kurzzeitladens eines mit Zukunft – quasi ein Franchisemodell, das auch in anderen Städten und Gemeinden zum Tragen kommen kann?

„Ja, definitiv. Das ist unser Ziel. Wir möchten die Erfahrungen unserer ersten Umsetzungen nutzen, um auch in anderen erzgebirgischen Kreisen und Städten Kurzzeitläden auf die Beine zu stellen.“

Wenn der Wolkensteiner Kurzzeitladen gut angenommen wird, welches nächste Projekt wollen Sie angehen?

„Durch den regelmäßigen Austausch mit anderen Mitgliedern von „Kreatives Erzgebirge“ haben wir schon Zustimmung aus Annaberg-Buchholz als nächsten Projektstandort erhalten.“