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Kristina vom Dorf

Kristina vom Dorf

Zwickau

„Zu 100 Prozent verstanden fühle ich mich nur in meiner Heimat“

Dass der sächsische Dialekt jüngst erst wieder zum unbeliebtesten deutschen Dialekt gekürt wurde, das konnte Autorin, Bloggerin und Journalistin Kristina vom Dorf nicht auf sich sitzen lassen. Kurzerhand startete sie daher Anfang des Jahres mit @diesachsenverstehen

ein Projekt, das mittlerweile so richtig an Fahrt aufgenommen hat. In witzigen Kurzvideos auf Instagram und TikTok erklärt sie beliebte sächsische Redensarten. Und das kommt an: Die Clips werden mittlerweile hunderttausendfach geklickt.

Kristina, Deine Wurzeln liegen in Langenreinsdorf im Landkreis Zwickau, mittlerweile lebst Du nach Stationen in Dänemark und Zypern mit deiner Familie in Bayern, trägst Deine Heimat und vor allem aber den Dialekt nach wie vor im Herzen. Wie kam es zu @diesachsenverstehen?
„Der sächsische Dialekt polarisiert extrem. Schaut man sich in den sozialen Medien um, findet man vor allem Videos von Sachsen, die nicht im besten Licht dastehen. Ob in Talk-Shows, am Rande von Demonstrationen oder im Trash-TV. Wen ich dagegen nie gesehen habe, waren die weltoffenen, lustigen, kommunikativen und erfolgreichen Sachsen. Das wollte ich ändern!“

Wie erklärst Du Dir den großen Erfolg auf TikTok und Instagram?
„Vermutlich ist es die Mischung aus Heimatverbundenheit, Liebe zum Dialekt und einer jungen Frau, die bis drei zählen kann und etwas zu sagen hat (schmunzelt). Das gab es so noch nicht. Gunther Böhnke, Tom Pauls und Lene Voigt kennen viele. Im Gegensatz dazu wollte ich auf moderne, freche und witzige Art Werbung für unseren Dialekt und für Sachsen machen. Und natürlich hat auch die Community einen großen Anteil am Erfolg. Mein Account funktioniert nur deshalb so gut, weil die Leute aktiv mitmachen. Keiner lässt sich einfach nur berieseln. Es wird sich ausgetauscht, diskutiert, berichtigt und sehr viel gelacht.“

Gibt es auch Reaktionen von außerhalb Sachsens, und wenn ja, welche?
„Es gibt nichts, was es nicht gibt. Zwischen „Willst du mich heiraten?“ und „Zieht die Mauer wieder hoch!“ ist alles dabei. Vereinzelt gibt es auch Kommentare, in denen Abneigung gegen den sächsischen Dialekt geäußert oder auch versucht wird, eine politische Diskussion loszutreten. Da ich aber aktiv mitlese, merken diese Leute schnell, dass auf unserem Account weder gehasst, noch gepöbelt, noch unter der Gürtellinie diskutiert wird. Wir wollen vor allem eines: Spaß haben. Und damit ziehen wir auch „Nicht-Sachsen“ an, aus anderen Bundesländern und auch aus Österreich und der Schweiz. Vor allem die Schweizer kommentieren immer wieder, wie sehr sie den sächsischen Dialekt mögen. Und was mich besonders freut: In meiner Rolle als ‘Sachsen-Muddi‘ erreiche ich viele Kinder. Oft schicken mir Eltern Videos zu, in denen ihre Kids die ‘Sachsen-Muddi‘ kopieren. Das freut mich natürlich extrem, denn wenn schon die Kleinsten etwas Positives mit dem Dialekt verbinden, tun sie es hoffentlich auch in späteren Jahren.“

Du hast in den letzten Jahren häufig den Wohnort gewechselt. Was hast Du am meisten an Sachsen vermisst, als du in der Ferne warst?
„Das Essen meiner Mutter und die Möglichkeit, frei von der Leber weg mit den Menschen zu sprechen. Ich bin in keiner Fremdsprache so gut wie in meiner Muttersprache. In Dänemark habe ich Dänisch gesprochen, auf Zypern Englisch und ein bisschen Griechisch. Das ist einfach nicht das gleiche. Selbst, wenn ich mit meinem Mann - er ist Schwabe - spreche, gibt es Begriffe, Gewohnheiten oder Speisen, die ihm fremd sind. Zu 100 Prozent verstanden fühle ich mich nur in meiner sächsischen Heimat.“

Welchen Vorurteilen bist Du in der Ferne begegnet, und welche haben Dich am meisten verärgert?
Als ich Deutschland verlassen habe, haben sich eigentlich alle Diskussionen um Dialekte zerschlagen, da gab es nur noch „die Deutsche“ Kristina und nicht mehr die Sächsin. Aber gegenüber mir als Deutscher habe ich jede Menge Vorurteile erlebt, völlig normal. Witzigerweise gibt es die innerhalb Dänemarks aber beispielsweise genauso: Der dänische Norden versteht den Osten aufgrund eines anderen Dialektes nicht, und der Westen redet wieder ganz anders. Und in Zypern wird Griechisch mal mit zypriotischem Akzent gesprochen und mal ohne.“

Nun hast Du mit „Made in Sachsen“ ein Buch über dich und deine sächsische Heimat geschrieben. Wie kam es dazu?
„Aus denselben Beweggründen wie bei meinen Sachsen-Accounts. Sachsen hat seit jeher mit einem Ruf zu kämpfen, der veraltet, teilweise völlig falsch und vorurteilsbelastet ist. Das ertrage ich schwer. Als ich dann am Strand von Zypern lag und das Angebot bekam, das Buch zu schreiben, habe ich dennoch gezögert: Bin ich noch „genug Sachse“? Meine Freunde haben mir aber zugeraten, ‘Wer, wenn nicht du?‘ Ab diesem Moment war ich eigentlich schon mittendrin und hatte tausend Geschichten im Kopf, die ich unbedingt erzählen wollte.“

Und worum geht es?
„Ganz kurz: um meine Heimat Sachsen und ihre Bewohner, insbesondere auf dem Dorfe - so, wie ich sie als Kind, Jugendliche und junge Journalistin erlebt habe, wie ich sie heute wahrnehme und vor allem in Zukunft sehen möchte.

Gibt es einen Lieblingsort in Sachsen, an dem man Dich besonders oft antrifft?
„Ganz klar mein Heimatdorf Langenreinsdorf. Der Großteil meiner Familie lebt noch dort, und unsere Kinder machen auch regelmäßig Urlaub auf dem Dorf.“

Zu guter Letzt: Was ist dein sächsisches Lieblingswort?
„Ich mag „ooch“ (auch), „euja“ (doch) und „diggschn“ (beleidigt sein). Diese drei Begriffe rutschen mir immer wieder raus, wenn ich mit meinen Kindern spreche. Wahrscheinlich hatte ich deshalb auch die Idee zur Figur „Sachsen-Muddi“, weil es sich in keinem Dialekt besser schimpfen lässt als auf Sächsisch