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Joanna Mintcheva

Joanna Mintcheva

Dresden

B-Girl mit Olympiaambitionen

Joanna Mintcheva ist ein B-Girl. Ein was? Eine Breakdancerin. Eines der Mädels, die die von Jungs dominierte Breakdance-Szene aufmischen. Und sie ist gut, richtig gut. So gut, dass sie als Mitglied ihrer Homecrew, den international mit Preisen überhäuften THE SAXONZ bei den Olympischen Spielen in Paris 2024 für Deutschland antreten will. Breakdance goes Olympia - der erste Tanzsport überhaupt, der olympische Disziplin ist. Pioniere waren die B-Boys und B-Girls immer schon. Was in den 1970er Jahren in den Straßen der Bronx in New York mit einem völlig neuen Tanzstil begann, ist heute in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Breakdance ist jenseits der Subkultur salonfähig, und die Szene ist hungrig, hoch professionell, immer auf Nachwuchssuche und im Falle Joannas sozial extrem engagiert, Stichwort Inklusion. Wir haben mit Joanna gesprochen, über ihre Leidenschaft, ihre Ziele und darüber, warum sie sich in Sachsen so wohl fühlt.

Foto: Joanna Mintcheva

Joanna, Du gehörst zum Kernteam der SAXONZ, Breaken ist Dein Leben. Woher kommt Deine Leidenschaft für diesen Sport?

In erster Linie durch THE SAXONZ, sie haben mich zum Breaken gebracht. Sie sind Familie, Freunde, Chaoten, Trainingspartner, Kritiker, Lebensretter, Mitreisende und Spaßbomben in einem. Ohne sie wäre das Breaken definitiv nicht so fetzig, wie es für mich ist. Ich liebe das Breaken aber auch, weil es mir unglaublich viele Freiheiten und Möglichkeiten bietet. Zu Battles, Crew-Ausflügen, Shows und Jobs bin ich schon quer durch Europa gereist, und das seit meinem 15. Lebensjahr. Hinzu kommt, dass das Breaken einem nicht vorschreibt, was man zu tun und zu lassen hat. Man kann sich voll und ganz austoben, kreativ sein, eigene Bewegungen ausprobieren und über den Tanz auch wundervolle Verbindungen zu anderen aufbauen.

Nun ist das Breaken nach wie vor eine eher männlich dominierte Sportart. Haben es Mädels generell schwerer, sich hier durchzusetzen?

Ich persönlich habe nie schlechte Erfahrungen aufgrund meines Geschlechtes in der Breakingszene gemacht. Im Gegenteil: Meine Jungs haben mich sehr gut in der Szene aufgenommen. Aber nicht alle Mädchen haben es so leicht. In erster Linie sehe ich dafür sportliche Gründe. Viele Moves sind auf den männlichen Körper ausgerichtet. Wir Frauen haben einen anderen Schwerpunkt. Fliegkräfte zu entwickeln – und die braucht man beim Breaken – ist daher schwieriger. Blaue Flecken und langsamere Fortschritte sind die Folge; viele Mädchen verlieren dann die Lust. In meinen Kursen zeigt sich auch immer wieder, dass die Mädchen sich nicht trauen sich auszuprobieren, grade, weil sie in der Unterzahl sind. Dennoch ist ein deutlicher weiblicher Zuwachs zu bemerken, und wir bekommen auch zunehmend mehr Respekt. Also keine Sorge, wir ziehen nach!

Foto: Joanna Mintcheva

Du engagierst Dich mit den SAXONZ sehr für den Nachwuchs, rufst Inklusionsprojekte ins Leben, organisierst große Veranstaltungen. Wie ist es um die sächsische Breakingszene bestellt?

Wir sind sehr professionell, gut vernetzt und super organisiert. Es gibt eine Vereins-App, über die wir in Kontakt stehen, Veranstaltungen und das Training organisieren. Die Anzahl der Veranstaltungen, die wir als sächsische Szene jedes Jahr auf die Beine stellen, ist enorm. Allein wir als 84’TIL-Zentrum für urbane Kultur e.V. organisieren jährlich zehn bis 15 Breaking Events, um den Nachwuchs zu fördern und zugleich die internationale Elite nach Sachsen zu holen. 2022 haben wir zum Beispiel einen Austausch mit dem sächsischen Landeskader nach Bulgarien organisiert. Seit Jahren kooperieren die SAXONZ auch mit französischen Veranstaltungspartnern. Aktuell widmen wir uns sehr intensiv dem Thema Inklusion. Zu den olympischen Spielen gehören schließlich auch die Paralympics, aber es gibt kaum Menschen mit Handicaps in unserer Szene –das wollen wir ändern und genau diese Talente, die es zweifelsohne gibt, ermutigen und befähigen, sich ihren Traum zu erfüllen.

Foto: Joanna Mintcheva

Habt Ihr Nachwuchssorgen?

Nein, da mache ich mir keine Sorgen. Unseren Verein 84’TIL gibt es seit 2019. Innerhalb von vier Jahren haben wir über 100 Mitglieder generiert, in erster Linie NachwuchsschülerInnen. Ähnlich läuft es in Chemnitz und in Leipzig. Das Angebot für den Nachwuchs ist sehr vielfältig in der sächsischen Szene, von regelmäßigen Kursen über Schulprojekte bis zu Nachwuchs-Battles.

Euer nächstes Ziel ist, den Bundeskader für die Olympischen Spiele 2024 in Paris aufzustellen. Wie weit seid ihr auf dem Weg der Rekrutierung?

Den Bundeskader im Bereich Breaking gibt es seit etwa zwei Jahren. Er besteht aus acht Männern und acht Frauen. Für die Neubildung des Bundeskaders finden alle zwei Jahre mehrere Battles statt. Aktuell finden die Vorausscheide für die neue Zusammenstellung des Bundeskaders 2023/2024 statt. Wir sind absolut im Plan.

Du lebst und arbeitest in Dresden, Sachsen ist deine Heimat. Was bedeutet für Dich „typisch sächsisch.?

Typisch sächsisch bedeutet für mich, dass ich auf dem Rückweg von einer Reise an der Autobahn das Schild ,,Willkommen in Sachsen - So geht sächsisch.’’ sehe. „Typisch sächsisch“ bedeutet für mich aber auch, wenn alte Freundschaften einen zurück aufs Dorf führen, und man im tiefsten sächsischen Dialekt verschwindet.

An welchen Lieblingsorten bist Du am ehesten anzutreffen?

Man findet mich natürlich regelmäßig in unserem 84’TIL Studio. Aber auch im Café Oswald, im KJH Emmers, in der Scheune, im Sportpark Ostra, im Zwinger oder am Lingner Skatepark.

Welche Klischees über die Sachsen regen Dich am meisten auf?

Am schlimmsten finde ich den Nazi-Stempel, der uns häufig verpasst wird. Sicher gibt es Gründe dafür, aber es können doch nicht alle Sachsen über einen Kamm geschoren werden!

Foto: Joanna Mintcheva

Die Breakingszene ist international vernetzt; Du hast viel mit Leuten aus der ganzen Welt zu tun. Wie sehen die Deiner Meinung nach Sachsen?

Überhaupt nicht negativ, im Gegenteil! Unsere internationalen Gäste beschreiben die sächsische Szene als sehr offen und gut vernetzt. Und Sachsen empfinden viele als sehr schön und vielfältig.